270 II. Buch. Die Reichsgewalt.
haben, verpflichtet und berechtigt sind, der Autorität der Reichs-
gesetzgebung Geltung zu verschaffen, unabhängig von allen, irgendwie
gearteten Einwirkungen der Einzelstaaten.
Mit dem allen tritt die rechtliche Macht des Reiches im ganzen
Umfange seiner Gesetzgebung in einen vollen Gegensatz zu der recht-
lichen Macht eines Bundes, dessen Beschlüssen verfassungsmälsig nur
durch vermittelnde, auf ihre eigene Autorität gestellte Willensakte der
Einzelstaaten Rechtsverbindlichkeit beigelegt ist. Hier bleibt durch
den bundesverfassungswidrigen Ungehorsam des Einzelstaates, durch
das Nichtinkraftsetzen oder durch spätere Aulserkraftsetzung der
Bundesbeschiüsse die innere Rechtsordnung desselben unberührt. Denn
ausschliefslich gegenüber den Autoritätsakten des Einzelstaates sind
seine Behörden und Unterthanen zum Gehorsam verpflichtet, ja auch
nur berechtit. Und darum mufs hier die Aufrechterhaltung des
Bundesrechtes überall gestellt sein auf Zwangsmittel, welche sich nur
gegen den Einzelstaat als solchen, in seiner nach aulsen abgeschlossenen
und im Innern konsolidierten Organisation richten.
Im Reiche dagegen vermag der Einzelstaat das in den Reichıs-
gesetzen unmittelbar begründete objektive und subjektive Recht nur
hintanzusetzen durch materiell und formell rechtswidrige und nichtige
Willkürakte, denen auch in seinem Innern eine rechtliche Deckung
nicht zur Seite steht. Vielmehr setzt der reichsgesetzwidrige Willkürakt
des Einzelstaates auch gegen ihn selbst alle die Hebel in Bewegung,
welche die in seinem Innern gültige Rechtsordnung gegen das Unrecht
überhaupt zu Gebote stellt. Diese Hebel vermag der Einzelstaat nur
aulser Wirksamkeit zu setzen, wenn er sich entschlielst, in revolu-
tionärer Weise auf den Willkürakt den Willkürakt, auf den Rechts-
bruch gegen das Reichsrecht den Bruch seiner eigenen Rechtsordnung
zu häufen. Gerade hierauf beruht der nachhaltige und nachdrückliche
Zwang, der der Autorität der Reichsgesetzgebung zur Seite steht und
der die Exekution des Reiches gegen den Einzelstaat in eine zweite,
nur ergänzende Stelle rückt, wesentlich berechnet nur für solche Ver-
bindlichkeiten der Einzelstaaten, die ihnen als geschlossenen Gesamt-
organisationen obliegen.
Die Unmittelbarkeit der Reichsgesetzgebung bewirkt damit das-
jenige, was man in dem entwickelten Sinne als die Selbst-
behauptung des auf die Autorität des Reiches gegründeten ob-
jektiven und subjektiven Rechtes gegen die reichsgesetzwidrigen Ein-
eriffe und Hemmungen der Einzelstaaten bezeichnen mag°.
5 Die mit der Unmittelbarkeit der Gesetzgebung gegebene Wirkungs-