276 II. Buch. Die Reichsgewalt.
Dienstgewalt über die Behörden und Beamten; sie sind als General-
verfügungen Ausflüsse der Amtsgewalt über die Unterthanen. Die
Rechtssätze, die sie aus Rücksichten der Zweckmälsigkeit vielfach
wiederholen, erläutern, specialisieren und kombinationsweise folgern,
gewinnen Rechtsgültigkeit und Rechtsverbindlichkeit niemals kraft der
Vollzugsverordnung selbst, sondern immer nur durch den Nachweis
ihrer richtigen Ableitung aus dem bereits geltenden objektiven
Rechte.
Jedes dieser beiden Verordnungsrechte nun aber stölst auf je
einen in der norddeutschen Verfassung und jetzt in der Reichsver-
fassung anerkannten Grundsatz, der für die hier fragliche Zuständig-
keit entscheidend ist.
Es ist zunächst festgestellt und anerkannt als allgemeiner
Grundsatz, dafs das Recht der Bundesgesetzgebung auch auf den ihr
unterworfenen Gebieten, solange und soweit die entsprechenden Gesetze
von Bundes wegen nicht erlassen sind, den Einzelstaaten das eigene
Recht der Rechtserzeugung beläfst, die Bundesgesetze ersetzend, er-
gänzend, ausführend. Daraus aber folgt mit Notwendigkeit: Soweit
die Verfassung über das Verordnungsrecht schweigt, soweit sie nur die
Gesetzgebung zuspricht, soweit steht dem Bunde unmittelbar
aus der Verfassung (vorbehaltlich also der Frage, wieweit ein man-
gselndes Verordnungsrecht durch besonderes Bundesgesetz geschaffen
werden kann), ein rechts- oder gesetzvertretendes Verord-
nungsrecht nicht zu. Vielmehr ist dasselbe, soweit die Partikular-
verfassung die Form der Verordnung zuläfst und solange der Bund
nieht in der Form der Gesetzgebung die rechtliche Regelung vor-
genommen hat, bundesverfassungsmälsiges Recht der Einzelstaaten auch
auf den Gebieten der Reichskompetenz!.
Es ist nicht minder festgestellt und anerkannt als allgemeiner
Grundsatz, dafs auf den gegenständlich bezeichneten Kompetenzgebieten
dem Bunde und jetzt dem Reiche nur die Beaufsichtigung und Gesetz-
gebung zufällt.e. Dagegen verbleibt die Vollziehung, die unmittelbare
Befehlsgewalt über die Unterthanen wie über den Behördenorganismus
unter der Beaufsichtigung und den Gesetzen des Bundes das eigene
Recht der Einzelstaaten. Daraus folgt aber mit nicht minderer Not-
wendiekeit, dals jede Vollzugsverordnung, deren Wesen sich
als integrierender Bestandteil der vollziehenden Gewalt darstellt, im
1 Es ist selbstverständlich, dafs, wo die Bundesverfassung durch be-
sondere Bestimmung die Bundesgesetzgebung zur Ausschliefslichkeit erhebt,
von der Anwendung des allgemeinen Grundsatzes keine Rede sein kann.