Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

278 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
Verfassungstextes. In seiner hier einschlagenden Bestimmung lautet 
er jetzt als a. 7, >: 
„Der Bundesrat beschliefst 
2. über die zur Ausführung der Reichsgesetze erforder- 
lichen allgemeinen Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen, 
sofern nicht durch Reichsgesetz etwas anderes be- 
stimmt ist.“ 
In dieser Fassung ist im Vergleich mit der norddeutschen Ver- 
fassung das Wort „erforderlichen“ an Stelle von „dienenden“ ge- 
treten und der letzte Satz hinzugefügt. 
Dieser zugefügte Satz nimmt zweifellos zunächst auf das berechtigte 
Subjekt Bezug; er will verhüten, dafs dem Bundesrat ein ausschlief[s- 
liches verfassungsmälsiges Recht gewährt werde, und er will damit 
die Übertragung seiner Zuständigkeit auf ein anderweitiges Organ im 
Wege der einfachen Gesetzgebung ermöglichen. Allein der Vergleich 
mit dem grundsätzlichen Rechtsbestand unter der norddeutschen Ver- 
fassung ergiebt es, wie nicht hierauf, wie vielmehr das Hauptgewicht. 
der Verfassungsänderung darauf liegt, dafs jetzt erst dem Reiche 
ale solchem, unangesehen des zuständigen Organes, ein all- 
gemeines Verordnungsrecht unmittelbar kraft der Verfassung 
verliehen wird. 
Allerdings der Wortlaut der Verfassungsklausel ist ein durchaus 
eigentümlicher in allen ihren Wendungen. Er deckt sich — immer 
wieder abgesehen von dem berechtigten Organ — schlechterdings nicht 
mit Bestimmungen, wie sie die Reichsverfassung von 1849 und die 
Unionsverfassung aufweisen: 
8 65 (62): „Alle Gesetze und Verordnungen der Reichs- 
gewalt erhalten verbindliche Kraft durch ihre Verkündigung von 
Reichs wegen.“ 
& 80 (78): „Der Kaiser (Reichsvorstand) verkündigt die Reichs- 
gesetze und erlälst die zur Vollziehung derselben nötigen Ver- 
ordnungen“ — 
und wie sie in übereinstimmendem Wortlaut eine Anzahl Partikularver- 
fassungen, vor allem die preulsische Verfassung (aa. 45. 106) enthalten. 
Nur die regellose Willkür kann diese Unterschiede als nicht ge- 
schrieben betrachten. Vielmehr müssen dieselben aus dem Zusammen- 
hange mit der eigentümlichen Organisation des Reiches erklärt werden. 
Nur daraufhin lassen sich in gesicherter Auslegung die Bestimmungen 
treffen über den Umfang, die Form, die rechtliche Wirkung 
des allgemeinen Reichsverordnungsrechtes und über sein Ver- 
hältnis zudem Verordnungsrecht der Einzelstaaten.
	        
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