280 II. Buch. Die Reichsgewalt.
zuwider ist“!. Eine solche Auslegung reilst nicht nur jede objektive
Abgrenzung zwischen einem ausführenden und ergänzenden Verord-
nungsrecht ein und giebt sie dem subjektiven, einseitigen und recht-
lich unkontrollierbaren Ermessen des Bundesrates anheim. Sie ist
nicht etwa blols eine erweiternde Deutung. Vielmehr beseitigt sie
das Wort „erforderlich“ und ersetzt dasselbe dem klaren Wortlaut
zuwider durch „dienlich“ oder „zweckmälsig erscheinend“ ?.
II. In dem geforderten Verhältnis der Abhängigkeit mufs der be-
stimmende, der die Abhängigkeit bewirkende Faktor ein Reichs-
gesetz sein.
l. Er ist ein Gesetz des Reiches. Zweifellos ist darunter nicht
nur ein einfaches Gesetz, sondern auch eine Bestimmung der Ver-
fassung begriffen, welche in dem entwickelten Sinne unmittelbar
wirksam sein will. In zutreffender Analogie ferner hat man auch Ver-
träge des Reiches den Gesetzen gleichgestellt®. Aber niemals fallen
unter den hier zutreffenden Begriff des Gesetzes solche Verfassungs-
klauseln, welche dem Reiche die Kompetenz zusprechen, irgend
1 So Arndt, Verordnungsrecht S. 83; anders und richtig aber derselbe
in Hirths Annalen 1885 S. 111.
2 Es kann nicht als gleichgültig und ungeschehen betrachtet werden,
dafs die R.V. a. 7,2 eine Änderung des Wortlautes des a. 37,2 der noxd-
deutschen Verfassung (und des a. 8 $ 12,2 des Zollvereinsvertrages) vornahm.
Die erstere hat das schärfere und unzweideutige Wort „erforderlich“ an
die Stelle der Worte der letzteren: „die zur Ausführung der gemeinschaftlichen
Gesetzgebung dienenden Verwaltungsvorschriften* gesetzt. Die Reichs-
verfassung schuf eine allgemeine Klausel, die aus sich selbst heraus den
Umfang des den Bundesratsbeschlüssen unterliegenden Verordnungsrechtes
mit Schärfe erkennbar machen mulste. Die norddeutsche Verfassung bezeich-
nete nur das beschliefsende Subjekt, während der Umfang des Verordnungs-
rechtes gegenüber der Gesetzgebung auf dem speciellen Verwaltungsgebiet,
auf das sie sich bezog, durch a. 40 nach Mafsgabe der Zollvereinigungsver-
träge festgestellt war. Allerdings bedient sich auch R.V. a. 37 noch der Aus-
drucksweise „der gemeinschaftlichen jGesetzgebung dienende Verwaltungs-
vorschriften“. Allein hier handelt es sich nicht um eine Präcisierung des
Verordnungsrechtes in irgend welcher erläuternden Beziehung zum all-
gemeinen Sinn des a. 7,2, sondern nur darum, das Veto der Präsidialstimme
im Zoll- und Handelswesen auf jede Art der Bechlufsnahme des Bundes-
rates auszudehnen, die nicht schon durch a. 5,2 getroffen ist. Es war darum
korrekt, gerade hier die alte Wendung beizubehalten.
3 Z. B. Ausführungsbestimmungen zu den Handels- und Schiffahrtsver-
trägen mit Italien und Spanien C.Bl. 1883 $. 295, 1884 S. 49, zur belgischen
und italienischen Litterarkonvention C.Bl. 1884 S. 324. 327; Vorschriften zum
Auslieferungsvertrage zwischen dem deutschen Reiche und Grofsbritannien vom
14. Mai 1872, C.Bl. 1874 8. 101.