8 45. Der Umfang des allgemeinen Verordnungsrechtes. 381
einen Gegenstand, sei es allgemein, sei es nach bestimmten Rich-
tungen hin, der rechtlichen Regelung zu unterziehen‘. Denn jede
solche Kompetenzbestimmung ist nicht ein Gesetz, welches zu seiner
Ausführung Verwaltungsvorschriften oder Einrichtungen erforderlich
macht, sondern sie ist die Gewährung eines subjektiven Rechtes an
das Reich, dessen Ausübung nach freiem legislatorischen Er-
messen zu erfolgen hat, und auch dann hiernach erfolgt, wenn sich
das gesetzgeberische Vorgehen politisch als notwendig, als erforder-
lich darstellt. Deshalb ist der Beschlufs des Bundesrats über den Erlals
der Schiffsvermessungsordnungen vom 5. Juli 1872, jetzt vom 20. Juni
1888, über die Bezeichnung der Fahrwasser und Untiefen in den
deutschen Küstengewässern vom 31. Juli 1887, über die Verordnung,
betreffend die Einrichtung von Strafregistern und die wechselseitige
Mitteilung der Strafurteile, vom 16. Juni 18825, wenn sich die beiden
ersten ausdrücklich auf R.V. a. 54 al. 2 und a. 4 Nr. 9 stützen und
die letztere nur auf R.V. a. 4 Nr. 11 stützen kann, verfassungswidrig
und darum nichtig.
2. Es muls ein Gesetz des Reiches sein — nicht ein Parti-
kular gesetz.
Damit ist ein Doppeltes gesagt.
Zunächst und in greifbarer Selbstverständlichkeit geht unter allen
Umständen das Verordnungsrecht nicht über das Gebiet der Reichs-
gesetzgebung hinaus. Wie diese, so ist auch jenes beschränkt auf den
Umkreis der materiellen Kompetenzen des Reiches. Es ist ausge-
schlossen im Kompetenzgebiet der Partikulargesetzgebung.
Aber darüber hinaus liegt das Recht der Einzelstaaten, dafs ihnen
auch auf dem Gebiet der materiellen Reichskompetenz in näher be-
stimmter Weise das Gesetzgebungsrecht verbleibt. Auch zur Aus-
führung aller hierauf gestützten Partikulargesetze besteht kein Ver-
ordnungsrecht des Reiches.
Damit ist denn auch eine Auffassung ausgeschlossen, welche be-
hauptet, dals dem Bundesrat allgemein® ein Verordnungsrecht in
demselben Umfange zustehe, in dem die Verordnungsgewalt nach
preufsischem Rechte oder nach. der Übereinstimmung oder nach dem
Durchschnitte der Partikularrechte auf den jetzt der Reichskompetenz
* So auch Arndt in Hirths Annalen 1885 S. 706. 707.
5 Centralblatt 1882 S. 309.
6 D. h. über die besonderen Bestimmungen hinaus, welche für ein-
zelne Verwaltungszweige das Verordnungsrecht und die Gesetzgebung nach
Malsgabe des preufsischen Rechtes oder der in Verfolg der Zollvereinsver-
träge übereinstimmenden Partikularrechte abgrenzen.