18 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates.
kaum noch die Bedeutung eines Leitfadens für die bevorstehenden
Verhandlungen beanspruchen.
Um so gewichtiger traten die vertragsmälsigen Bestimmungen
über die Formen hervor, in welchen die künftige Verfassung fest-
gestellt werden sollte. Es sollte dies geschehen nicht ausschliefslich
durch die Beratungen und Vereinbarungen der verbündeten Regierungen
unter sich, sondern „unter Mitwirkung eines gemeinschaftlich zu be-
rufenden Parlaments“.
Damit war auch auf seiten der verbündeten Regierungen eine
besondere Form ihrer Verhandlungen und eine einheitliche Vertretung
im Verhältnis zum Parlament gefordert oder doch angezeigt. Das
Augustbündnis selbst sah für die Feststellung des Verfassungsentwurfes
eine Konferenz der Bevollmächtigten der verbündeten Re-
gierungen in Berlin vor. Und gleich in der ersten förmlichen Sitzung
derselben — am 18. Januar 1867 — wurde der Krone Preulsen die
Befugnis übertragen, den „Reichstag“ zu berufen, zu eröffnen, zu
vertagen, zu schlielsen, ja selbst aufzulösen, sowie ihm den vereinbarten
Verfassungsentwurf vorzulegen und für dessen parlamentarische Ver-
tretung zu sorgen. Selbstverständlich aber und anerkanntermalsen
konnten und wollten diese Bestimmungen der vertragsmälsigen Natur
der Verhandlungen der Regierungen und damit den Erfordernissen der
Einstimmigkeit aller Konferenzbeschlüsse und deren Ratifikation keinerlei
Eintrag thun®.
Auf der andern Seite traf das Angustbündnis die näheren Be-
stimmungen über das „Parlament“.
Zunächst über seine Bildung. Sie sollte erfolgen durch Wahlen,
welche jede der verbündeten Regierungen gleichzeitig mit Preulsen anzu-
ordnen hatte und welche „aufGrund des Reichswahlgesetzes vom 12. April
1849“, also auf Grund eines niemals in praktische Geltung getretenen
Gesetzes vorzunehmen waren. Damit verpflichteten sich die verbündeten
Regierungen in ihren Wahlordnungen nur solche Abänderungen in den
Bestimmungen des Reichswahlgesetzes zu treffen, welche . durch die
Veränderung der thatsächlichen Voraussetzungen notwendig waren,
8 In der That hat sich denn auch der entsprechende Abschnitt der Bundes-
verfassung weit näher an die sogenannten „Februarforderungen“, die Preufsen
bezüglich Schleswig-Holsteins stellte —- Staatsarchiv VIII No. 1841 —, als
an die „Grundzüge“ angelehnt.
° Erstes Konferenzprotokoll: „Verfassungsentwurf über den die verbün-
deten Regierungen sich geeinigt haben werden“; drittes Protokoll: „die
Ratifikationen dieser — den Verfassungsentwurfannehmenden — Erklärungen
sollen ... eingesandt werden“.