$ 48. Das Verordnungsrecht auf Grund der einfachen Gesetzgebung. 297
Die hierdurch bewirkte umfassende Entwickelung des Verordnungs-
rechtes des Reiches ist niemals weder theoretisch noch praktisch be-
stritten worden. Vielmehr hat die Auffassung? rechtliche Anerkennung
und verfassungsmäfsige Geltung gewonnen:
Überall da, wo dem Reiche das Recht der Gesetz-
sebune zusteht, ist die Zulässigkeit des Weges der
Verordnung — insbesondere auch der unmittelbaren
Rechtsverordnung — nicht eine Frage der Kompetenz
zwischen dem Reiche und den Einzelstaaten, sondern
nur eine Frage des konstitutionellen Rechtes unter den
Hauptorganen des Reiches.
Und damit findet denn auch der weitere Grundsatz, der im Ein-
heits- und Einzelstaate Geltung hat, auf das Reich Anwendung: die
Form des Gesetzes, wenn sie auch an sich für die Re-
selung irgend eines Gegenstandes verfassungsmälsig
gefordert ist, kann im Wege der einfachen Gesetzgebung
mittels ihrer besonderen Ermächtigungen in die Form
der Verordnung umgewandelt werden“.
Allerdings schrankenlos gilt dieser Grundsatz weder in den
Einzelstaaten noch im Reiche. Er findet nach zwei Seiten hin seine
Begrenzung.
R.V. a. 7,2. Allerdings die Ausübung dieser besonderen Ermächtigungen,
die Beschlufsfassung selbst, der Erlafs als solcher geschieht in Verfolg, auf
Grund des Gesetzes, aber der Inhalt dieser Beschlüsse, dieser Verwaltungs-
vorschriften besteht in wahren Ergänzungen oder in der vom Gesetze
abweichenden Regelung eines Thatbestandes durch Ausnahmebestim-
mungen, welche „zur Ausführung der Gesetze erforderliche Ver-
waltungsvorschriften“ nicht sind.
Allerdings praktisch tritt dieser Unterschied nicht hervor. Denn alle
Beschlüsse des Bundesrates, welche Rechtsverordnungen zum Inhalt haben,
auch wenn sie unter die Verwaltungsvorschriften der R.V. a. 7,2 fallen, be-
dürfen auf der einen Seite des Nachweises, dafs das auszuführende Gesetz
dazu ermächtigt, und auf der anderen Seite ist die Gesetzgebung berechtigt,
durch ihre besonderen Ermächtigungen auch Verordnungsrechte zu erteilen,
welche den Umfang der R.V. a. 7,2 überschreiten.
® An sich wäre die andere Auffassung nicht ausgeschlossen, dafs im In-
teresse der Machtsphäre der Einzelstaaten die Regelungen des Reiches grund-
sätzlich nur auf dem schwereren Wege der Gesetzgebung und nicht in der
leichteren Form der Verordnung erfolgen dürften.
* Nur v. Rönne, Staatsrecht d. deutschen Reiches Hı 13ff., leugnete
diesen Grundsatz — dagegen Laband, Staatsrecht d. deutschen Reiches I 600
und die dort in Note 1 Citierten —, hat dies aber jetzt, Preufsisches Staats-
recht Iı 356 Note 3, auf Delegation zu Verfassungsänderungen oder Ver-
fassungsergänzungen im Verordnungswege beschränkt.