Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

306 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
Demgemäls ist mit der Beaufsichtigung vor ergehendem Reichs- 
recht die Aus- und Durchführung des Partikularrechtes und der hieraus 
den Einzelstaaten entstehenden Verpflichtungen, soweit sich dieselben 
auf eine der Reichskompetenz unterliegende Angelegenheit beziehen, 
als. ein rechtliches Interesse des Reiches verfassungsmäfsig anerkannt. 
Die Wahrung dieses seines rechtlichen Interesses ist es, welches dem 
Reiche mit den aus der Beaufsichtigung fliefsenden Mitteln als Recht 
und Pflicht zusteht. Niemals aber kann hier das Recht und das 
Interesse des Reiches dahin gehen, den Einzelstaat zu zwingen oder 
‘zu ermächtigen, irgend etwas zu thun oder zu lassen, was mit seiner 
Verfassung oder seinen Gesetzen, seinen Rechtsverordnungen oder 
Verträgen in Widerspruch steht. 
III. Wenn es die recht eigentliche Absicht der R.V. a. 4 ist, den 
Grundsatz auszusprechen, dals nach Malsgabe des Reichsrechtes und, 
solange dieses nicht ins Leben getreten ist, nach Mafsgabe des Parti- 
kularrechtes die gesamte ausführende Thätigkeit auf den der Reichs- 
kompetenz unterliegenden Verwaltungsgebieten Sache der Einzel- 
staaten ist, so stellt die „Beaufsichtigung“ ein Rechtsverhältnis dar, 
dessen Subjekte auf der einen Seite das Reich, auf der andern Seite 
aber die Einzelstaaten als solche sind. 
Es sind die Einzelstaaten, die durch ihre verfassungs- 
mälsigen Organe, die durch ihre Dienstgewalt über ihr eigenes 
Behördensystem, durch ihre Aufsichtsrechte über die ihnen eingeord- 
neten Selbstverwaltungskörper; durch ihre Befehlsgewalten über ihre 
Unterthanen, dasjenige gesellschaftliche Verhalten zu gewährleisten und 
diejenige Thätigkeit selbst zu entfalten haben, welche die ihnen zufallende 
Aus- und Durchführung der Reichsaufgaben erheischt. Sie stehen daher 
dem Reiche als geschlossene Einheiten gegenüber. Anders aus- 
gedrückt: die dem Beaufsichtigungsrecht der Einzelstaaten entsprechenden 
Verpflichtungen sind Verpflichtungen derjenigen nach der Verfassung 
jedes Einzelstaates obersten Organe, welche einerseits zur Vertretung 
desselben gegenüber dem Reiche berufen sind und andererseits die- 
jenigen leitenden, befehlenden und zwingenden Befugnisse gegenüber 
den untergeordneten Behörden, Selbstverwaltungskörpern oder Unter- 
L.— — — I --.“ besagte a. 5: „Die Handhabung der Gesetze, ‘welche 
gegenwärtig über die im a. 4 benannten Gegenstände in Gültigkeit sind, 
unterliegt der Aufsicht des Bundes“. 
5 Aufder Verkennung dieses Satzes beruhte das Amendement Schwarzes, 
im konstituierenden Reichstag, welches die Beaufsichtigung des Reiches über 
die Angelegenheiten der Justizgesetzgebung ausschliefsen wollte. Sten. Ber. 
des konst. Reichstages, Anlage No. 22, 4.
	        
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