Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

20 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates. 
Mit dem allen und trotz der erhöhten Bedeutung, welche politisch 
in den Augen der Regierungen und der Nation demselben beiwohnte, 
hatte das Parlament eine durchaus andere rechtliche Natur als die 
Volksvertretung im konstitutionellen System. 
Obwohl einzelne partikulare Wahlgesetze und der eingebürgerte 
Sprachgebrauch das „Parlament“ als den „Reichstag des norddeutschen 
Bundes“ bezeichnen, war das doch in keinem Sinne das Organ eines 
Staates oder eines nach der Weise des Staates konstituierten Bundes 
und mithin auch nicht die Vertretung eines Volkes im staatsrechtlichen‘ 
Sinne. Vielmehr war das Parlament nur eine gemeinschaftliche Ein- 
richtung einer Mehrzahl selbständiger, nur vertragsmälsig verbundener 
Staaten und zwar für einen vorübergehenden Zweck — die Verfassungs- 
vereinbarung —, mit dessen Erreichung dasselbe ohne weiteres erlosch. 
Vor allen Dingen stand dem Parlament ein eigener, selbständiger 
Rechtserund nicht zur Seite. Wenn die Volksvertretung im konstitu- 
tionellen System ihr Recht unmittelbar, und ohne Ableitung von einem 
dritten Subjekte, auf die Verfassung in der nämlichen Weise gründet, 
wie das Staatsoberhaupt sein Recht, so gründete sich das Recht dieses 
„norddeutschen Reichstages“ ausschliefsliich auf das Augustbündnis 
d. h. sein Beruf und seine Befugnisse waren nur Reflexwirkungen 
eines Vertrages der verbündeten Regierungen!?, Daher konnten denn 
auch alle Vorlagen, auf deren Beratung und Beschlielsung der 
Reichstag ein Recht gewinnen sollte, ebenso wie alle Zustimmungs- 
erklärungen, durch welche die Beschlüsse des Reichstages rechtliche 
Bedeutung gewinnen sollten und konnten, immer nur auf den vertrags- 
mäfsigen Vereinbarungen der Regierungen beruhen. 
UI. Die Beratung und Vereinbarung dev norddeutschen Ver- 
fassung ist erfolgt in genauer Befolgung der Bestimmungen des August- 
büdnisses und damit in Abwicklung und in Erfüllung vertragsmälsiger 
Rechte und Pflichten. 
1. Am 15. Dezember 1866 trat die Konferenz der Bevollmächtigten 
der verbündeten Regierungen in Berlin zusammen. An demselben Tage 
legte die preulsische Regierung ihren Entwurf der norddeutschen Ver- 
fassung vor. Derselbe wurde in einem Wechsel vertraulicher und 
  
deutschlands bereits irgend wie ein Staatswesen gewesen wäre, dies doch 
immer wieder seinen Rechtsgrund in einem Vertrage, nämlich in dem August- 
bündnis haben. 
18 Daher wurde ein formelles Recht nicht verletzt, wenn die Regie- 
rungen einseitig in demselben Wege des Vertrages die vereinbarenden Be- 
fagnisse des Parlamentes in nur beratende umgewandelt oder auf seine Mit- 
wirkung überhaupt verzichtet hätten.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.