Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 51. Die Beaufsichtigungsmittel. 3ll 
1. Die Einzelstaaten sind verpflichtet zu „unbeschränkter 
Offenheit“ über alle und jede That- und Rechtsbestände, welche eine 
Bedeutung haben für die Beurteilung, ob das Verhalten der Einzel- 
staaten sich in Einklang befindet mit den Vorschriften und Absichten 
der Verfassung und der Gesetze und der darauf gestützten Verträge 
und Verordnungen. Dieser Verpflichtung entspricht das Recht des 
Reiches, von den Einzelstaaten über alles, was sein rechtliches Interesse 
berührt, Auskunft zu erhalten, sei es in der Form der Bericht- 
erstattung oder der Bewirkung statistischer Erhebungen oder gutacht- 
licher Äufserungen. Aber darüber hinaus ist das Reich berechtigt zu 
eigener, augenscheinlicher Einsichtnahme mittels seiner 
ständigen und kommissarischen Aufsichtsbeamten, sei es durch deren 
Anwesenheit bei amtlichen Verhandlungen * oder durch Einsichtnahme 
der Akten, Bücher, Rechnungen oder durch Beobachtung der Dienst- 
verrichtungen? oder durch technische Prüfung technischer Befunde ® 
oder durch Erhebungen an Ort und Stelle”. Eine Grenze liegt 
hierfür nur in der verfassungsmäfsigen Stellung der Einzelstaaten, 
welche dem Reiche, soweit ihm nicht eigene und unmittelbare Ver- 
waltungsbefugnisse zustehen, unmittelbare Befehlsgewalten über die 
Behörden und Unterthanen der Einzelstaaten versagt. Daher denn 
auch die augenscheinliche Einsichtnahme der Aufsichtsorgane des 
Reiches auf Verstattungen der Einzelstaaten als solcher beruht, welche 
verpflichtet sind, ihren Behörden die entsprechenden Instruktionen zu 
erteilen, ohne dafs dadurch die letzteren in ein unmittelbares Unter- 
ordnungs- und Verantwortlichkeitsverhältnis zu dem Reiche gesetzt 
würden. 
2. An die Offenlegung der That- und Rechtsbestände schlielst 
sich das Recht des Reiches auf Beanstandung. Sie ist der ein- 
seitige Ausspruch der kompetenten Aufsichtsinstanz, dals eine Anord- 
nung, Einrichtung und Malsregel sich mit den berechtigten Anforde- 
rungen des Reiches in Widerspruch befindet und dafs demgemäfs der 
Einzelstaat zur Abhülfe verpflichtet sei. Sie hat eine dreifache Rechts- 
wirkung. 
* Die Reichsbevollmächtigten können allen Sitzungen der Direktivbehörde 
beiwohnen; die Prüfungsinspektoren den Prüfungen und Verhandlungen der 
Prüfungskommissionen. 
5 Z. B. die Visitation des Grenz- und Revisionsdienstes auf der Zolllinie. 
6 Z. B. Prüfung der Beschaffenheit und Ausrüstung der Auswanderungs- 
schiffe oder des Feingehaltes und des Gewichtes der Münzprägungen. 
" Z. B. kommissarische Untersuchungen des Zustandes gemeinsamer 
Wasserstralsen — R.V. a. 4 No. 9 —, der Weinberge auf Reblauskrankheit 
— Ges. vom 6. März 1875 —.
	        
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