316 IH. Buch. Die Reichsgewalt.
verpflichten, das ihnen zustehende Verordnungsrecht nach Mafsgabe
und nach Inhalt eines Bundesratsbeschlusses auszuüben !!.
Allein ein solches mittelbares Verordnungsrecht würde der Sache
und der Absicht nach immerhin nichts anderes sein als die objektiv-
rechtliche Regelung einer Angelegenheit der Reichskompetenz, wenn
auch der Form nach durch eine Regelung des einzelstaatlichen Ver-
ordnungsrechtes. Nun könnte unzweifelhaft die Ausführung der hier-
aus sich ergebenden Verpflichtung der Einzelstaaten Gegenstand der
Beaufsichtigung sein. Aber niemals kann die Beaufsichtigung die ob-
jektivrechtliche Begründung der zu erfüllenden Verpflichtung selbst be-
wirken, wenn nicht die volle Auflösung des Begriffes und die Be-
seitigung Jeder erkennbaren Abgrenzung desselben von der Gesetz-
gebung wie von dem gesetzvertretenden Verordnungsrecht herbeigeführt
werden soll.
Und noch weniger lälst sich ein Recht der Vollzugsverord-
nung — im Unterschied von gesetzvertretender oder Rechtsverord-
nung — aus der Beaufsichtigung ableiten. Denn in dem vorliegen-
den Falle mangelnder Reichsgesetzgebung wäre dies nichts anderes
als eine Vollzugsverordnung von Reichs wegen in Ausführung des
Partikularrechtes. Dem Reiche steht aber irgend ein Recht der Aus-
führungsverordnung und also auch der Vollzugsverordnung nach dem
ausdrücklichen Wortlaut der R.V. a. 7,2 nur zu behufs Ausführung
der Reichs gesetze !?.
Mit diesen Zurückweisungen steht eine andere Erscheinung nicht
in Widerspruch.
Der Bundesrat hat in einer ganzen Reihe von Anwendungsfällen
Beschlüsse gefalst, durch welche die Einzelstaaten veranlalst wurden,
das ihnen zustehende Verordnungsrecht in übereinstimmender Weise
1 Arndt, Verordnungsrecht S. 90 ff. Als selbstverständlich wird bei
seiner Auffassung vorausgesetzt, dafs die übereinstimmende Lage der Parti-
kularrechte den Einzelstaaten das entsprechende Verordnungsrecht gewährt.
Denn sollte der Bundesratsbeschlufs den Einzelstaaten eine das Partikular-
recht brechende Ermächtigung verleihen können, so entstände der Widersinn,
dafs im Wege der Beaufsichtigung des Reiches sowohl das verfassungsmäfsige
Mitwirkungsrecht des Reichstages als der partikularen Landtage beseitigt
werden könnte.
12 Selbstverständlich ist hiervon der Fall ganz verschieden, wenn der
Mangel oder der Inhalt einer einzelstaatlichen Vollzugsverordnung im Wider-
spruch steht mit dem Partikularrecht und dies zugleich ein Interesse des
Reiches auf seinem Kompetenzgebiete berührt. Hier kann zweifellos ein Auf-
sichtsbeschlufs des Bundesrates den Einzelstaat verpflichten, eine Vollzugs-
verordnung zu erlassen oder zu ändern.