Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

8 2. Das Augustbündnis. 91 
förmlicher Sitzungen beraten und an einer Reihe von Punkten nicht 
unwesentlichen Änderungen unterworfen. Daraufhin verständigten 
sich sämtliche Bevollmächtigte in der dritten förmlichen Sitzung 
vom 7. Februar 1867 zu der Erklärung, dafs der Verfassungsentwurf, 
wie er sich aus den Beratungen ergeben hatte, nunmehr insoweit 
definitiv festgestellt sei, um solchergestalt dem zusammentretenden 
Reichstage vorgelegt zu werden. 
2. Unmittelbar darauf — am 12. Februar — wurden die Wahlen 
zum Reichstag vorgenommen. 
Sie erfolgten auf Grund der Wahlordnungen, welche die einzelnen 
norddeutschen Staaten in dem Zeitraum von Anfang Oktober bis Ende 
Dezember 1866 erlassen hatten '*. 
Die Form derselben war eine verschiedene, wie sie sein mulste, 
oder doch konnte. Denn ob die Regierungen ermächtigt waren, die 
Wahlordnung, als eine objektive rechtliche Regelung politischer Rechte, 
einseitig zu erlassen, oder ob sie hierfür der Zustimmung der Volks- 
vertretung bedurften, darüber hatte die Verfassung jedes einzelnen 
Staates zu entscheiden . Demgemäls erging die Wahlordnung in dem 
14 Sämtliche Wahlordnungen in Glaser, Archiv d. nordd. Bundes, 
Heft 2. 
5 Binding, Gründung S. 15. 20 ff, behauptet, dafs die Wahlen, unan- 
gesehen der Anforderungen der partikularen Verfassungen, auf Grund Landes- 
rechtes und speciell auf Grund von Landesgesetzen, also unter Mitwirkung 
der Landstände, nach dem Augustbündnis nicht vorgenommen werden sollten 
und durften. Das ist nach allen Seiten hin unhaltbar. Thatsächlich ist es 
zunächst unrichtig, dafs dies die cinmütige Rechtsauffassung aller Regierungen 
gewesen sei. Bereits am 13. August, d. h. vor dem formellen Abschlufs des 
Bündnisses legte Preufsen dem Landtag den Entwurf des Wahlgesetzes vor 
mit der Motivierung: „es ist nunmehr vor allem notwendig, dafs für 
Preufsen selbst diesen Wahlen die erforderliche gesetzliche Grundlage ge- 
geben werde“. Nach diesem Vorgehen des führenden Staates war es unmög- 
lich, das unmittelbar darauf geschlossene Augustbündnis im Sinne eines Aus- 
schlusses landesrechtlicher und speciell landesgesetzlicher Wahlordnungen zu 
deuten. Dazu giebt aber auch der Wortlaut des Bündnisses keinerlei Anhalt. 
Das „auf Grund des Reichswahlgesetzes vom 12. April 1849“ in a. 5 be- 
deutet nichts anderes für die Wahlordnung als das „auf der Basis der preufsi- 
schen Grundzüge vom 10. Juni 1866“ für die Bundesverfassung. Es kann 
gar nicht, wie Binding annimmt, im Gegensatz zu „Landesrecht“ und speciell 
zu „Landesgesetzen“ stehen. Denn zunächst hat ein völkerrechtlicher Vertrag, 
wie dies die Bestimmung des Augustbündnisses über die vorzunehmenden Wahlen 
trotz der Aktivierung des Reichsgesetzes ist und bleibt, niemals die Kraft unmittel- 
barer Geltung in den beteiligten Staaten, sondern alle Rechtswirkungen auf die 
inneren Verhältnisse derselben knüpfen sich immer nur an den zutreffenden staats- 
rechtlichen Akt, welchen der einzelne Staat vertragsmäfsig vorzunehmen hat, mag
	        
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