Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 52. Verantwortlichkeit und Selbstverwaltung der Einzelstaaten. 321 
dem ganz allgemeinen Sinne, wonach jedermann die Rechtsfolgen zu 
tragen hat, die das positive Recht an seine Handlungen oder Unter- 
lassungen knüpft, oder in dem weiteren Sinne, wonach jedermann dem 
Berechtigten zur Erfüllung seiner Verpflichtungen verbunden ist und 
zutreffenden Falles, dals dies geschehen sei, Rechenschaft abzulegen 
hat. Vielmehr gewinnt die Verantwortlichkeit der Einzelstaaten jene 
besondere, den organischen, korporativen oder Gewaltverhältnissen 
eienende Gestaltung, welche innerhalb eines bestimmten Thätigkeits- 
kreises ein die ganze Handlungsweise stetig begleitendes Recht dahin 
verleiht, dafs der Verpflichtete über sein Verhalten jederzeit und un- 
abhängig von der Behauptung einer Pflichtverletzung Rede zu stehen 
und Antwort zu geben hat. 
In diesem Sinne ergreift die Verantwortlichkeit den Einzelstaat 
als geschlossene Einheit, das heilst dasjenige Organ desselben, welches 
verfassungsmälsig zu seiner Vertretung nach aufsen und zur obersten 
Leitung der Staatsgewalt im Innern berufen ist. Sie ergreift darum 
in den monarchischen Einzelstaaten den Landesherrn als solchen. 
Allerdings im Innern des Einzelstaates gilt verfassungsmäfsig 
der Grundsatz der Unverantwortlichkeit des Landesherrn. Derselbe 
fordert es, dals alle Pflichtverletzungen, welche in der Ausübung auch 
der höchsten Regierungsrechte behauptet werden, mittels der Minister- 
verantwortlichkeit rechtlich nur als Pflichtverletzungen der dem Landes- 
herrn untergeordneten Organe in rechtlichen Betracht kommen und 
darum immer nur in einem Verfahren, welches unter der Autorität des 
Landesherrn selbst erfolgt, zum Austrage gebracht werden. Gerade hier- 
durch wird es bewirkt, dals die rechtlichen Zwangsmittel sich niemals gegen 
den Landesherrn als solchen richten, dals sie mithin seine verfassungs- 
mälsige Rechtsstellung weder schmälern noch auch suspendieren können. 
Allein dies hat keine Geltung gegenüber dem Reiche. 
Kraft der Beaufsichtigung ergehen die Verfügungen und Ent- 
scheidungen von Reichs wegen, als einer aulserhalb und über den 
Einzelstaaten stehenden Autorität. Aber die mit dem Begriff der Be- 
aufsichtigung selbst anerkannte Selbständigkeit der Einzelstaaten 
schliefst es aus, dals das Reich unter Durchbrechung der Autorität 
des Landesherrn irgend welche letzterem untergeordnete Organe wegen 
ihrer Pflichtwidrigkeiten zur Verantwortung‘ ziehe oder diese und die 
Unterthanen unmittelbar mit rechtsverbindlichen Anweisungen und Be- 
fehlen versehe. Vielmehr soll auch das, was von Aufsicht des Reiches 
wegen innerhalb des Einzelstaates zu geschehen hat, «eeschehen kraft 
und unter der Autorität des Landesherrn. Darum denn aber auch 
müssen sich die Aufsichtsmittel des Reiches gegen den Landesherrn 
Binding, Handbuch. V. 1: Hänel, Staatsrecht. 1. 21
	        
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