336 II. Buch. Die Reichsgewalt,
da sei und für die menschliche Gesellschaft eine Potenz bilde. Irgend
ein Recht zu haben über seine Organisation ist für. jedes Staatswesen
ohne weiteres ausgesagt; voller Herr aber über seine Organisation
zu sein, ist das notwendige Attribut des suveränen Staates.
Unter einem anderen Gesichtspunkte allerdings ist die Organisa-
tionsgewalt immer nur eine sekundäre Kompetenz des Staates.
Sie empfängt Inhalt und Richtung und Grenzen durch die Aufgaben
und Regierungsrechte, welche dem Staate nach Verfassung und Gesetz
zustehen. Ihnen, als den in diesem Verhältnis primären Kompetenzen,
dient alle und jede Organisation, nur um ihrer willen ist sie vor-
handen und nach ihren Malsgaben gewinnt sie konkrete Gestalt.
Was von jedem Staatswesen gilt, gilt auch vom deutschen Reiche.
Ja die Organisation desselben weist eine reichere Gliederung auf als
der Einheitsstaat. Denn sie schiebt zwischen die organisierte Reichs-
gewalt einerseits und die Unterthanenschaft und Staatsbürgerschaft
andererseits, als ein eigentümliches Zwischenglied, die Einzelstaaten
ein. Die Organisationsgewalt des Reiches bezieht sich daher auf ein
Dreifaches: auf die Organisation der Reichsgewalt, auf die Einzel-
staaten als Mitglieder des Reiches, auf die Reichs- und Staats-
angehörigen.
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Die Reichsorgane.
Die Gewalt, welche dem Reiche über seine eigenen, von der
Organisation der Einzelstaatsgewalt verschiedenen Organe zusteht, ge-
winnt unter dem Gesichtspunkte der Kompetenz eine besondere recht-
liche Ausprägung, je nach dem Unterschiede der Haupt- und Hülfs-
organe.
I. Die Reichsverfassung bezeichnet als die Hauptorgane des
Reiches:
den Kaiser und den Reichskanzler — den letzteren um
der untrennbaren Verbindung willen, in die er rechtlich dadurch mit
dem Kaiser gesetzt ist, dals alle kaiserlichen Regierungsakte ! zu ihrer
Gültigkeit seiner verantwortlichen Mitwirkung bedürfen —,
den Bundesrat und den Reichstag.
1. Alle Hauptorgane des Reiches unterliegen der Gesetz-
gebung des Reiches.
a. Und zwar ist hier die Reichsgesetzgebung eine ausschliels-
1 Vorbehaltlich der Sonderstellung des militärischen Befehles.