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formeller Folgerung: alle gezogenen Grenzen können in der
Form der Änderung eben der Reichsverfassung, durch
welche sie begründet sind, auch aufgehoben werden.
Und gerade hieran knüpft sich die Frage, ob die positive Rechts-
ordnung der logisch-formellen Folgerung nicht wenigstens dann die
Anerkennung verweigert, wenn der Bestand der Einzelstaaten selbst
und damit die Mitgliedschaft am Reiche schlechthin betroffen wird.
Diese letzte Entscheidung kann nur getroffen werden durch die Ent-
scheidung der weiteren Frage, ob dem Reiche die „Kompetenz-
Kompetenz“ in dem vollen Umfange zusteht, dafs sie auch die verfassungs-
mälsigen Grenzen der Organisationsgewalt umfalst. Ist sie zu bejahen,
wie sie zu bejahen sein wird, dann ergreift auch die Organisations-
gewalt des Reiches die Einzelstaaten nicht blofs von einzelnen be-
stimmten Seiten, sondern in ihrer Totalität, in ihrer gesamten Existenz. .
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Das „Staatsbürgerrecht““.
I. Im Staatenbunde sind Mitglieder ausschliefslich die Einzel-
staaten. Die unter den letzteren begriffenen Individuen und Verbände
stehen nirgends in einem gleichen Rechtsverhältnisse zum Bunde, wie
sie dies zu dem verbündeten Staate thun, dessen Angehörige sie sind.
Der Burdesstaat dagegen wird dann, aber auch nur dann als
eine mit dem Staate gleichartige politische Organisation erwiesen
werden, wenn auch ihm gegenüber die gleichartigen Thatbestände ein
gleichartiges Verhältnis der Mitgliedschaft für die Individuen und
deren Verbände erzeugen, wie gegenüber dem Einheits- und Einzel-
staate.e Und zwar handelt es sich hier überall um eine Mitgliedschaft,
die ein personelles Band zwischen dem Staat und seinen Angehörigen
begründet, ein Band, das wesentlich verschieden ist von der auch die
Fremden ergreifenden Unterwerfung unter die Territorialität der
Staatsherrschaft, mögen die letzteren auch im weiten Umfange den
Staatsangehörigen rechtlich gleichgestellt sein.
Die deutsche Reichsverfassung bezeugt zu ihrem Teile, wie die
Verfassung der Schweiz und der Vereinigten Staaten, eine solche
Rechtslage. Sie stellt im a. 3 den „Angehörigen (Unterthanen, Staats-
bürgern) eines jeden Bundesstaates“ — al. 1 — die „Deutschen“, in
der Textuierung der norddeutschen Verfassung die „Bundesangehörigen“
— al. 6 — gegenüber. Sie spricht den „Deutschen“ schlechthin, und
damit im Gegensatz sowohl zu den Fremden als zu den Einzelstaats-
angehörigen, dasjenige Recht und diejenige Pflicht zu, welche das
Binding, Handbuch. V. 1: Häne), Staatsrecht. I. 23