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Aber auch nach dieser Beschränkung verbleibt der Reichskompetenz
ungeschmälert die Regelung und Beaufsichtigung des allgemeinen
Mitgliedschaftsrechtes auch für den Einzelstaat. Die selbständige Be-
stimmung der Einzelstaaten über ihren Organismus, die dem suveränen
Staate selbstverständlich gebührt, wird gerade in Rücksicht auf dessen
elementare Bestandteile von der Organisationsgewalt des Reiches ab-
sorbiert. Das Reich ist es, dem die rechtliche Ordnung der Grund-
stellung der Mitglieder am deutschen Staatswesen in ihrer Totalität,
in dem Miteinander von Reichs- und Staatsangehörigkeit, zusteht.
II. Kapitel.
Die Finanzgewalt!.
I. Die rechtliche Natur der Finanzwirtschaft des Reiches.
8 60.
Die Verfassung stattete den norddeutschen Bund und das Reich
mit eigenen Organen aus und überwies ihnen die Erfüllung bestimmter
politischer Aufgaben. Damit war die thatsächliche und rechtliche
Notwendigkeit gegeben, diese Organe mit den für ihren Bestand und
für ihre Funktionen erforderlichen Gebrauchs- und Verbrauchseütern
auszustatten, die Erwerbung, Erhaltung und Verwendung derselben
zu regeln. Das Reich war selbstverständlich Subjekt einer umfassen-
den Wirtschaft. Aber die rechtlichen Formen der Wirtschaft konnten
nichtsdestoweniger verschiedenartig bestimmt werden.
In dieser Rücksicht besteht ein augenfälliger Gegensatz oder doch
Unterschied zwischen den „Grundzügen vom 14. Juni 1866“
und den Bestimmungen der Verfassungen, wie sie später in Kraft
traten — ein Unterschied, der nicht nur in der Verschiedenheit
zwischen einer Skizze und ihrer detaillierten Ausführung seine Er-
klärung findet.
Obgleich die „Grundzüge“ die Bildung eines „gemeinsamen
ı Laband, Das Finanzrecht des deutschen Reiches, in Hirths Annalen
1873 S. 405 ff., und Staatsrecht d. deutschen Reiches II 479. A. Wagner,
Das Reichsfinanzwesen, in v. Holtzendorffs Jahrb. für Gesetzgebung I 581 ff.,
III 60f.. v. Rönne, Staatsrecht d. deutschen Reiches IIlı 65 fl. Zorn,
Staatsrecht d. deutschen Reiches II 207 ff. Schulze, Lehrb. d. deutschen
Staatsrechtes II 147 ff. G. Meyer, Lehrb. d. deutschen Staatsrechtes 88 201 ff.
und Lehrb. d. deutschen Verwaltungsrechtes II 287 f. v. Kirchenheim,
Lehrb. d. deutschen Staatsrechtes S. 405 ff.