368 II. Buch. Die Reichsgewalt.
Doch hat auch hier der Grundsatz reichsgesetzliche Anerkennung ge-
funden, dafs die Besteuerung von Zuwendungen des Reiches den par-
tikulargesetzlichen Bestimmungen über die Besteuerung gleichartiger
Zuwendungen des Einzelstaates unterliegt *®.
4. Vor allen Dingen schliefsen die an die Spitze gestellten Be-
stimmungen der Verfassung jede Auffassung der Finanzwirtschaft des
Reiches als einer „Vereins“- oder „Gesellschaftswirtschaft“
aus.
Allerdings hat diese Auffassung eine entschiedene Vertretung ge-
funden °”,
Sie stützt sicb auf zwei Erscheinungen; die eine, dals es im
Reiche Einnahmen und Ausgaben giebt, an welchen nicht sämtliche
Mitglieder oder doch nicht alle in dem nämlichen Verhältnisse teil-
nehmen; die andere, dafs die Differenz zwischen den Einnahmen und
Ausgaben: des Reiches als Aktiv- oder Passivsaldo auf die Einzel-
staaten, nach den über die Matrikularbeiträge mafsgebenden Grund-
sätzen, verteilt wird.
Allein das äulsere Hervortreten dieser Erscheinungen giebt keiner-
lei Beweis für jene Auffassung. Sie kann nur durch den weiteren
Beweis gestützt werden, dafs diese Erscheinungen sich nur aus einem
solchen Rechtsverhältnis erklären oder doch die Annahme eines
solchen Rechtsverhältnisses zulassen, welches zwischen den einzelnen
Staaten als einzelnen obwaltet, welches sich in Rechte und Pflichten
des Einzelstaates gegen die anderen Einzelstaaten auflösen lälst,
welches die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft als Einnahmen
und Ausgaben der einzelnen Mitglieder rechtlich qualifiziert.
Damit aber stehen die finanzrechtlichen Bestimmungen der
Reichsverfassung und der Reichsgesetzgebung in einem absoluten
Gegensatz.
Jene Nichtbeteiligung einzelner Staaten an den gemeingültigen
munalauflagen. Nicht die Kompetenz zu einer solchen Anordnung, sondern
nur die Form der Verordnung war bestritten. Sie ist jetzt anerkannt und
modifiziert durch das Gesetz vom 28. März 1886.
26 Doppelbesteuerungsgesetz vom 13. Mai 1870 $2 al.3. Reichsbeamten-
gesetz v. 31. März 1873 $ 19. Militärgesetz vom 2. Mai 1874 $$ 46. 48. Gesetz
vom 28. März 1886 8 2.
2?! Laband charakterisiert in seinem Finanzrecht (Hirths Ann. 1873
S. 487 ff.) die Finanzwirtschaft des Reiches als eine aus Elementen einer
„Vereins“- und „wirklichen Staatswirtschaft“ gemischte, in seinem Staats-
recht 1. Aufl. IHI2 318 ff. als eine reine Gesellschaftswirtschaft,
als eine von dem föderalistischen Prinzip beherrschte. Auch noch in
der 2. Aufl. II 886 ff. ist diese Auffassung festgehalten.