Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 61. Die Finanzquellen des Reiches im allgemeinen. 371 
1. Nach der Grundauffassung, die sie überall beherrscht, hat die 
Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika der Union 
einfach die Finanzgewalt und das Besteuerungsrecht für ihre ver- 
fassungsmälsigen Zwecke in Gesetzgebung und Vollziehung genau so 
zugesprochen, wie einem Einheitsstaate, wenn sie ihr auch gewisse 
Beschränkungen im Interesse der Gleichmälsigkeit der Belastung und 
des Aufsenhandels auflegt!. Aber auch den Einzelstaaten steht für 
ihre Zwecke die nämliche Finanzgewalt zu. Das Verhältnis beider 
aber bestimmt sich lediglich nach dem allgemeinen Grundsatz, dals 
die Ausübung einer verfassungsmäfsigen Kompetenz der Union durch 
kein Gesetz und durch keine Malsregel irgend eines Staates aufgehoben 
oder beeinträchtigt werden kann. Nur an einem Punkte ist die 
Finanzgewalt der Union eine ausschliefsliche, die gleiche Befugnis der 
Staaten aufhebende, nämlich für alle Gebühren und Zölle auf die Ein- 
und Ausfuhr?. 
Die Schweizer Eidgenossenschaft bietet ein durchaus 
anderes Bild. Die Verfassung hat hier den Bund auf bestimmte, genau 
definierte Einnahmequellen angewiesen: den Ertrag des Bundesver- 
mögens, die Grenzzölle, die Einnahmen aus dem Post- und Telegraphen- 
wesen, das Pulverregal, die Militärpflichtersatzsteuer und neuer- 
dings das Branntweinmonopol — Einnahmequellen, die der Bund 
allerdings ausnahmslos in eigener und unmittelbarer Verwaltung hat. 
Aber darüber hinaus, falls diese Erträgnisse nicht ausreichen, ist er 
ausschliefslich auf die Matrikularbeiträge der Kantone angewiesen°. 
Ja der Bund ist von jeher verpflichtet gewesen, einen Teil des Er- 
trages seiner eigenen Einnahmequellen den Kantonen zuzuführen, nach 
der Verfassung von 1848 einen gewissen Anteil an dem Zoll und an 
den Posteinnahmen, jetzt noch den gesamten Reinertrag des Brannt- 
weinmonopols und die Hälfte des Bruttoertrages der Militärpflicht- 
ersatzsteuer ?. 
Die deutsche Reichsverfassung von 1849 steht auch 
hierin der Schweizer Verfassung nahe. Sie radiziert den Reichsbedarf 
auf den Ertrag der Zölle und der durch späteres Gesetz zu bezeich- 
nenden Produktions- und Verbrauchssteuern, jedoch dergestalt, dafs 
nur ein bestimmter Teil desselben nach Malsgabe des ordentlichen 
Budgets für die Reichsausgaben vorweggenommen werden soll, das 
übrige aber an die Einzelstaaten verteilt wird. Sie gewährt dem 
! Am. Unionsverfassung a. Is. 8 al. 1. s. 9 al. 4. 5. 6. 
®2 Ebenda a. Is. 10 al. 2. 3. ® Schweizer Verfassung aa. 32 bis. 42. 
* Schweizer Verfassung von 1848 aa. 26. 33 und von 1874 aa. 42e und 
32 bis. 
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