Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

376 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
die Einzelstaaten als Beitragspflichtige. Aber allerdings sind dem 
Reiche in Rücksicht auf die Matrikularbeiträge verfassungsmäßige 
Grenzen gezogen: 
a. Zunächst durch den in R.V. a. 70 ausgesprochenen legis- 
Jatorischen Gesichtspunkt, dafs die Matrikularbeiträge nur solange bei- 
behalten werden sollen, „so lange Reichssteuern nicht eingeführt sind‘. 
Selbstverständlich bedeutet dies nicht, dafs neue Reichssteuern nur zum 
Zwecke der Abschaffung der Matrikularbeiträge eingeführt werden 
dürfen. Sie können es zur Deckung jedes Bedürfnisses, welches als 
„Reichszweck“ verfassungsmälsig anerkannt ist oder anerkannt wird '?. 
Aber immerbin ist die verfassungsmälsige Anweisung gegeben, das 
Steuersystem des Reichs soweit auszudehnen, dafs die Beseitigung der 
Matrikularbeiträge ermöglicht wird. 
bh. Sodann ist für die Matrikularbeiträge, solange sie bestehen, 
ein bestimmter Verteilungsmafsstab durch die Verfassung selbst vor- 
geschrieben. Sie sollen „nach Mafsgabe ihrer Bevölkerung“ !* auf die 
Einzelstaaten umgelegt werden. Mit dem Ausschlufs jedes anderen 
Malsstabes ist es identisch, dafs das Reich nicht berechtigt ist, eine 
einzelne Finanzquelle des Einzelstaates, sei es ein bestimmtes 
Steuer- oder Gebührenaufkommen, sei es ein privatwirtschaftliches oder 
regales Unternehmen desselben, zu besteuern!’”. Denn die rechtliche 
Bedeutung der Matrikularbeiträge und ihres Verteilungsmalsstabes ist 
es gerade, dals die Einzelstaaten die rechtliche Freiheit haben, die 
ihnen als solchen aufgelegten Steuersummen durch ihr eigenes 
Finanzsystem zu decken, insbesondere auf die Unterthanen umzulegen. 
Auseeschlossen ist aber damit nicht, dafs einer Reichssteuer, welche auf 
privatwirtschaftliche Rechtsgeschäfte allgemein gelegt ist, auch die 
gleichartigen Privatrechtsgeschäfte der Einzelstaaten unterliegen '®, oder 
13 Wenn die Dotation der Einzelstaaten „Reichszweck“ ist, dann konnte 
das sogenannte Amendement Franckenstein — $ 8 des Zolltarifgesetzes 
vom 15. Juli 1879: — als Verfassungsänderung nicht betrachtet werden, ob- 
gleich es die Matrikularbeiträge fortbestehen liefs und den Mehrertrag der 
Zölle und Tabaksteuer anstatt zu ihrer Beseitigung zu jener Dotation ver- 
wendete. 
1# Die Zählungsart der Bevölkerung festzustellen, ist Sache der einfachen 
Gesetzgebung, insbesondere der Etataufstellung. An Stelle der ortsanwesen- 
den staatsangehörigen Bevölkerung ist seit dem Etat für 1875 die „ortsan- 
wesende Bevölkerung“ gesetzt worden. 
15 Daher die Stempelfreiheit der Renten- und Schuldverschreibungen der 
Einzelstaaten. Tarif vom Se nn. Be I. No. 2, bb. 
16 So der Wechselstempelsteuer, der Steuer auf stempelpflichtige Schlufs- 
noten.
	        
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