$ 61. Die Finanzquellen des Reiches im allgemeinen. 377
dals die Erhebung einer Reichssteuer bei den Einzelstaaten erfolgt,
wenn sie der legislatorischen Absicht nach nicht diese, sondern die
Unterthanen treffen soll !7.
2. Eigentümlich gestaltet sich die Finanzwirtschaft des Reiches
insbesondere dadurch, dafs dasselbe die Rechtsmacht besitzt, seinen
Finanzquellen die Eigenschaft der Ausschliefslichkeit im Ver-
hältnis zu den Einzelstaaten beizulegen. Das ist für die Matrikular-
beiträge durch ihre Natur gegeben. Aber die Verfassung hat die Aus-
schliefslichkeit für alle Finanzquellen festgestellt, welche sie für das
Reich unmittelbar mit seiner Gründung in Hebung setzte, für die
Einnahmen aus dem Post- und Telegraphenwesen !®, für die Zölle und
für die in art. 35 bezeichneten Verbrauchsabgaben, aulserdem auch
noch für die etwaigen Differentialabgaben auf fremde Schiffe oder deren
Ladungen !°.
Allerdings kann die Frage aufgeworfen werden, ob nicht aus
diesen Bestimmungen der Schlufs gezogen werden mufs, dals umgekehrt
in Bezug auf jede andere Finanzquelle, der. die Verfassung die
Ausschliefslichkeit nicht beigelegt hat, den Einzelstaaten das Recht
der konkurrierenden Benutzung mit dem Reiche verfassungsmälsig
offen gehalten ist?°. Allein mangels einer abweichenden Regelung
mufs auch hier der Grundsatz Platz greifen, dafs überall da, wo das
Reich eine verfassungsmälsige Kompetenz ausübt, es auch berechtigt
ist, jede Hinderung oder Schmälerung ihrer Wirksamkeit durch den
Einzelstaat auszuschliefsen. Es mufs dies für die Finanzwirtschaft um
so mehr gelten, als nur eine rohe Auffassung es verkennen kann, dals
jedes Recht auf Eröffnung einer Finanzquelle, dafs insbesondere jedes
Besteuerungsrecht das Recht und die Pflicht in sich begreift, die
Höhe der Belastung und die Wirkung ihres Eingriffes in die Privat-
1" Nur unter diesem Gesichtspunkt rechtfertigt sich die Besteuerung der
1. Juli 1881
29. Mai 1885
der Glücksspiele der Unterthanen, welche bei der Lotterieverwaltung der
Einzelstaaten erhoben wird. Den Ausfall an der Einnahme seines Unter-
nehmens kann der Einzelstaat durch die Erhöhung der Differenz zwischen der
Summe der Einzahlungen und der Summe der ausgezahlten Gewinne aus-
gleichen und dadurch die Steuer ausschliefslich auf die Spieler abwälzen.
18 Die Übergangsbestimmung des a. 51 macht davon keine Ausnahme.
Sie ist nur eine zeitweilige Modifikation des Verteilungsmalsstabes der Matri-
kularbeiträge.
19 R.V. a. 54 al. 5.
2° Diesen Schlufs hat die Wissenschaft und die Praxis für die Unions-
verfassung gezogen. Story, Commentaries $$ 940 ff., vgl. 436. 438.
Staatslotterieen — Gesetz vom $27 —. Es ist eine Besteuerung