Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 3. Die Gründung des norddeutschen Bundes. 37 
Vereinbarung“ zuschrieb. Aber auch nur scheinbar?. Denn 
keineswegs war es und konnte es die Absicht des preulsischen 
Landtages sein, damit die Stellung des Parlamentes im Verhältnis zu 
den verbündeten Regierungen zu regeln®. Eine solche Absicht hätte 
niemals einseitig durch ein preulsisches Gesetz erreicht werden können, 
sondern nur durch einen das Augustbündnis abändernden Vertrag 
aller Beteiligten, der niemals erfolgt oder angestrebt ist. Vielmehr 
hatte der angefügte Paragraph nur den Zweck und er konnte nur die 
Wirkung haben, der Regierung die Ermächtigung zu versagen, die 
vereinbarte Bundesverfassung einseitig für Preulsen in Kraft zu setzen 
— im Gegensatz zum a. 113 der preulsischen Verfassung, welche eine 
solche Ermächtigung für den Entwurf der Reichsverfassung vom 
26. Mai 1849 erteilt hatte”. Damit war es entschieden, dafs die 
5 8. Binding, Gründung 8. 33 ff. 
6 In dem Kommissionsberichte des Abgeordnetenhauses heifst es: „Wie 
es hiernach notwendig ist, dafs die Bundesverfassung, insofern sie Ände- 
rungen der preufsischen Verfassung und Gesetzgebung involviert, erst dem 
preufsischen Landtage zur Annahme und Genehmigung vorgelegt werden 
mufs, so erhält der Reichstag allerdings zunächst nur eine beratende Stel- 
lung.“ Allein der Bericht fährt dann unmittelbar fort: „so wird die Autorität 
seiner mit den Regierungen vereinbarten Beschlüsse auch grols genug 
sein, um überall deren unbedingte Annahme zu sichern.* Und noch deutlicher 
konstatiert der Referent Twesten in den Verhandlungen des Abgeordneten- 
hauses selbst — S. 322 —, dafs wenn das „Vereinbaren“ sich nur auf das 
Vereinbaren zwischen den Regierungen und dem Parlament bezieht, nichts 
dagegen zu erinnern sei, nur die Deutung, dafs damit eine nachträgliche Mit- 
wirkung des Landtages bezüglich der preufsischen Verfassung beseitigt sei, 
will er ausgeschlossen sehen. Dies letztere, den Ausschlufs einer unmittel- 
baren Rechtsverbindlichkeit auch der vereinbarten Verfassung, wollen denn 
auch die Schriftsteller, inbesondere Mejer, Einleitung S. 284. 285; Meyer, 
D. Staatsrecht $ 64 Note 7 u. 15; Zorn, Staatsrecht d. d. R. IS. 19f., fest- 
stellen, wenn sie dem Reichstage eine nur beratende Stellung zuschreiben. 
Aber mit der einseitigen Beziehung dieser Terminologie auf den Reichstag 
wird es verdeckt, dafs in diesem Sinne auch die Verfassungsvereinbarungen 
der Regierungen — mit oder ohne Zustimmung des Reichstages — nur „be- 
ratende“ gewesen wären; denn auch sie bedurften der Zustimmung der 
partikularen Legislaturen. 
" Allerdings ist der $ 1 des preulsischen Wahlgesetzes vielfach nicht 
blofs als der Vorbehalt der nachträglichen Mitwirkung der Einzellegis- 
laturen am Verfassungswerke, sondern als eine Alterierung der Stellung des 
Parlamentes zu den verbündeten Regierungen gedeutet worden. Selbst der 
Erlafs zur Einberufung des Reichstages vom 13. Februar 1867 spricht nur von 
einer „Beratung“ der Verfassung. Allein schliefslich ist die Auffassung, dafs 
der Reichstag trotz des preufsischen und der ihm nachgebildeten Wahlgesetze
	        
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