380 II. Buch. Die Reichsgewalt.
ständige Bedeutung beanspruchen; sie ist immer nur als Mittel unter-
geordnet unter die durch Verfassung und Gesetz dem Staate obliegen-
den Aufgaben. Das eilt auch vom Reiche. Dasselbe ist zu seiner
Finanzwirtschaft nur kompetent nach dem Malse der
ihm zustehenden primären Kompetenzen. Hierin vorzugs-
weise liegt die rechtliche Abgrenzung zwischen der Finanzwirt-
schaft des Reiches und der Einzelstaaten. Das Reich ist nicht be-
rechtist darum, weil es durch seine Finanzhoheit die erforderlichen
wirtschaftlichen Mittel zu gewinnen und zu verwenden vermag, sich
anderweitige, über die Verfassung hinausliegende Kompetenzen bei-
zulegen. Eine Ausdehnung seiner Finanzwirtschaft über diese Grenzen
hinaus enthält regelmälsig zugleich eine Ausdehnung seiner primären
Kompetenzen und ist darum notwendig an die gleichen Formen der
Verfassungsänderung gebunden!.
Aus diesem durch die rechtliche Natur der Sache unmittelbar ge-
sebenen Grundsatze ergeben sich eine Reihe von Folgerungen.
1. Das Reich ist nicht befugt Ausgaben zu leisten, welche
nicht der Durchführung seiner verfassungsmälsigen
Kompetenzen dienen. Dies gilt auch dann, wenn es sich um
Zuwendungen handelt, die die Ausübung eines Herrschaftsrechtes nicht
enthalten?. Allerdings hat der norddeutsche Bund und das Reich un-
unterbrochen eine Reihe von Zuwendungen in seine Etats aufgenommen,
welche künstlerischen, wissenschaftlichen oder volkswirtschaftlichen
Zwecken dienen, denen eine verfassungsmälsige Kompetenz des Reiches
nicht entspricht?. Allein es konnte nur geschehen unter Erweiterung
ı Die R.V. hat keine analoge Klausel, wie die amerikanische Unionsver-
fassung art. I sect. 8 al. 1 (power to lay and collect taxes, imposts and exeises,
to pay the debts and provide for the commun defence and general
welfare of the United States) oder wie die Schweizer Bundesverfassung
aa. 23. 24. 27 (Unterstützung von Wasserbauten und höheren Unterrichtsanstalten,
Errichtung und Unterstützung von „öffentlichen Werken“ im Interesse der Eid-
genossenschaft oder eines grofsen Teiles derselben). Der Mangel einer solchen
Klausel für das Reich kann nicht durch politische Erwägungen ihrer An-
gemessenheit ersetzt, sondern mufs zur Konsequenz für die Reichskompetenz
gezogen werden.
2 Es ist schlechterdings kein selbstverständliches Recht des Staates, „Schen-
kungen zu machen“. Miguel, Verh. des Reichstages vom 9. Juni 1868 8. 334.
3 So in den neueren Etats die Dotation für das archäologische Institut
in Rom und dessen Zweiganstalt in Athen, die Subventionen an die zoologi-
sche Station in Neapel, für die Museen in Nürnberg und Rom, für die monu-
menta Germaniae, für die Leopoldina Karolina, für Fischzucht und Fisch-
zuchtansalt in Hüningen, zur Wiederherstellung der Katharinenkirche in Oppen-