$ 62. Die regulativen Grundsätze der Reichsfinanzwirtschaft. 381
der verfassungsmälsigen Kompetenz ad hoc und darum in den besonderen
Formen, welche eine Verfassungsänderung voraussetzt.
Es hat dies ausdrücklich Anerkennung gefunden in einer Er-
klärung des Präsidenten des Bundeskanzleramtes vom 9. Juni 1868 *,
in welcher festgestellt wird, dafs die „Subvention zur Beobachtung
der bevorstehenden Sonnenfinsternis“ und gleichartige Ausgaben aulser-
halb des Kreises der Bundesangelegenheiten liegen, dafs es sich daher
„nur fragen könne, ob die im Bundesrat vertretenen Staaten sich ent-
schliefsen wollten, diese Subvention' zu geben und die dafür erforder-
lichen Beiträge nach dem Mafsstabe der Matrikularbeiträge auf-
zubringen“.
Allerdings ist die hier in Aussicht genommene Einstimmigkeit
oder Widerspruchslosigkeit im Bundesrate nur eine Konvenienz. Sie
hat nicht den Wert einer Rechtsform, unter welcher allein ein solcher
Beschluls des Bundesrates gefalst werden könnte. Aber die Erklärung
hat die Bedeutung einer Anerkennung, dafs gegen eine Minderheit im
Bundesrat eine solche aulserhalb der verfassungsmälsigen Kompetenz
liegende Zuwendung nur rechtsgültig beschlossen werden kann, wenn
die Erfordernisse des Art. 78 gedeckt sind.
2. Aus dem Mangel seiner Kompetenz zu Ausgaben, welche seinen
primären Kompetenzen nicht entsprechen, fliefst auch folgerichtig, dals
das Reich im Verhältnis zu den Einzelstaaten, welchen verfassungs-
mälsige Exemtionen von den gemeingültigen Kompetenzen zustehen,
zu den diesen Exemtionen entsprechenden Ausgaben
nicht befugt ist. Aus diesem Grunde ergiebt sich die Notwendig-
keit einer Abrechnung mit den eximierten Einzelstaaten, welche be-
wirkt, dafs sie zu ihrem Teile mit den Ausgaben nicht belastet werden,
die nur für die übrigen Einzelstaaten durch eine gemeingültige
Kompetenz gedeckt sind. Denn nur so cessiert den eximierten Staaten
gegenüber und der Verfassung gemäls mit der primären auch die
entsprechende finanzielle Kompetenz des Reiches. Daher wird Bayern
nicht belastet mit den Ausgaben für das Bundesamt für das Heimats-
wesen? und für das Eisenbahnamt® und nicht mit der Verzinsung der
für die Militärverwaltung aufgenommenen Anleihen, soweit sie nicht
heim a. Rh., zur Erforschung Centralafrikas, zur Errichtung des National-
denkmals auf dem Niederwald u. s. w.
* Verhandlungen des Reichstages S. 331. 332.
° Auch Elsals- Lothringen nicht wegen Nichteinführung des Unter-
stützungswohnsitzgesetzes vom 6. Juni 1870.
6 Mit Ausnahme eines Betrages für die dem Eisenbahnamte auch gegen-
über Bayern nach R.V. a. 46. zustehenden Funktionen.