384 I. Buch. Die Reichsgewalt.
Durch die Verfassungsänderung gewann das Reich die Kompetenz,
den bezeichneten Steuern: die gesetzliche Bestimmung zur Dotation
der Einzelstaaten zu geben. Aber es wurde demselben nicht durch
einen nur in den Formen der Verfassungsgesetzgebung abänder-
baren Rechtssatz das Recht entzogen, im Wege der einfachen Ge-
setzgebung jene Steuern zur Deckung seiner eigenen Bedürfnisse zu
verwenden, insbesondere durch dieselben die durch die Verfassung
vorgeschriebene Beseitigung der Matrikularbeiträge herbeizuführen.
Den Einzelstaaten erwuchs daher kein verfassungsmälsiges und wohl-
erworbenes Recht auf Fortdauer ihrer gesetzlichen Dotation aus den
Reichssteuern. Nur in einer durchaus anomalen Rechtsbildung, welche,
da es sich hier um eine für alle Einzelstaaten gemeingültige Gesetzes-
bestimmung handelt, mit R.V. a. 78 al. 2 nichts zu schaffen hat, wurde
den drei süddeutschen Staaten das besondere Recht ein-
geräumt, dals die gesetzliche Bestimmung der Branntwein-Ver-
brauchsabgabe zu deren Dotation gegenüber einem jeden derselben
nur mit dessen Zustimmung abgeändert werden kann.
Vor allen Dingen enthalten die Dotationsgesetze nur eine Ver-
fassungsänderung ad hoc, die nur den einzelnen Fall trifft und daher
die Form des Verfassungsgesetzes für jeden weiteren Anwendungsfall
nicht erübrigt. Es kann in ihnen eine allgemeine verfassungs-
mälsige Kompetenz des Reiches, den Finanzbedarf der Einzelstaaten
auf sein Besteuerungsrecht zu fundieren und damit jede feste recht-
liche Begrenzung der beiderseitigen Finanzwirtschaften zu beseitigen,
nicht gefunden werden. Der Grundsatz, dafs die finanziellen Kom-
petenzen des Reiches soweit gehen, aber auch nicht weiter reichen,
als seine primären Kompetenzen, ist durch jene Gesetze ad hoc durch-
brochen, aber in seiner Gemeineültigkeit nicht aufgehoben.
II. Zu dem ersten Grundsatz, der die Finanzwirtschaft des
Reiches von der der Einzelstaaten aberenzt, tritt ein zweiter Grund-
satz, der dieser abgesrenzten Finanzhoheit des Reiches noch weitere
Beschränkungen im Verhältnis zu den Einzelstaaten und in deren
Interesse auferlegt. Es ist der Grundsatz der Gleichbelastung
Franckensteinsche Klausel 1879 S. 2177 ff. 2241 ff. Zorn, Staatsrecht d. d. R.
II 215 ff.
12 Branntweinsteuergesetz vom 24. Juni 1887 8 47. Verstärkt ist das
Privileg durch die weitere Vorschrift, dafs die auch für die süddeutschen
Staaten geltende gesetzliche Bestimmung, welche die zu dem niedrigeren Ab-
gabensatz herzustellende Jahresmenge Branntwein zu 3 Liter reinen Alkohols
für den Kopf bemifst, gegenüber einem jeden derselben nur mit dessen Zu-
stimmung abgeändert werden kann.