406 II. Buch. Die Reichsgewalt.
Zoll- und Handelsverein vom 10. Mai 1833 mit seinen Er-
neuerungen und die im Art. 2 des Zollvereinsvertrages vom 16. Mai
1865 benannten „Anschlulsverträge"*.
Diese Verträge haben einen dreifach verschiedenen Inhalt.
Entweder sie schaffen unter den beteiligten Staaten eine gemein-
schaftliche Kontroll-, Direktiv- und Repräsentativbehörde, während die
lokale Erhebung und Verwaltung mit Ernennung und Disciplin der
Beamten den Eirzzelstaaten verbleibt. Das ist die wesentliche Organi-
sation des thüringischen Zoll- und Handelsvereins?.
Oder der anschliefsende Staat übernimmt die ganze Steuer- und
Zollverwaltung in dem angeschlossenen Staate oder Gebietsteile des-
selben, immer mit gewissen Vorbehalten für den letzteren, welche den
Diensteid der Beamten, die ordentliche Gerichtsbarkeit, das Be-
snadigungsrecht, den Anfall von Konfiskaten und Strafgeldern betreffen ®.
Oder endlich der angeschlossene Staat behält im wesentlichen die
Verwaltung durch die lokalen Behörden, unterstellt dieselben aber den
Kontroll- und Direktivbehörden des anschlielsenden Staates”.
In allen drei Formen wird es bewirkt, dals den Einzelstaaten
die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Verbrauchssteuern nicht
in dem vollen Umfange zusteht, wie es die Reichsverfassung als
Grundsatz vorschreibt. Vielmehr unterliegen ihre Rechte Beschrän-
kungen zu Gunsten entweder eines anderen Einzelstaates oder einer
sie zusammenfassenden Gemeinschaft. .
Für die rechtliche Natur dieses Verhältnisses kann eine doppelte
Auffassung ‚in Frage stehen.
Der Vorbehalt der R.V. a. 36 kann den Sinn haben, dals die
hier einschlagenden Verträge aufrechterhalten werden, und zwar der-
gestalt, dafs ihre Bestimmungen als Bestandteile der Zollvereinsver-
* Selbstverständlich scheidet hier der Vertrag mit Luxemburg aus, der
als völkerrechtliche Vereinbarung von der Verfassung nicht betroffen wird.
5 S. insbesondere Schlufsprotokoll zum Vertrage vom 10. Mai 1833 und
die Instruktion für den Generalinspektor vom 1. Dezember 1833. Verträge
und Verhandlungen des Zollvereins I 166 ff. u.244 ff.
‚6 So z. B. Mecklenburg-Schwerin für die preulsischen Enklaven Rossow,
Retzeland, Schönberg (Vertrag vom 2. Dezember 1826); so die Bremenschen
Anschlufsverträge vom 26. Januar 1856; so der (mit Hannover abgeschlossene)
Vertrag von Schaumburg-Lippe vom 21. März 1865.
? So z.B. die Verträge mit Oldenburg bezüglich des Fürstentums Birken-
feld (24. Juli 1830, 31. Dezember 1836); von Waldeck wegen Waldeck und
Pyrmont (16. April 1831, 9. Januar 1838, 11. Dezember 1841 und 3. Dezember
1853); von Anhalt (10. Oktober 1823, 17. Juni 1826, 17. Juli 1828, 17. Mai 1831
und 20. Dezember 1853).