418 II. Buch. Die Reichsgewalt.
Beide Staaten haben für Post und Telegraphie das volle Recht
der eigenen und unmittelbaren Verwaltung, insbesondere auch in dem
Sinne, dals sie ausschliefslich aus eigenen Mitteln und für eigene
Rechnung derselben als eine ihnen ausschliefslich zustehende Finanz-
quelle geführt wird. Nur im Falle und für die Dauer eines Krieges
und nur in Württemberg steht dem Kaiser die obere Leitung des
Telegraphenwesens zu®.
Dem Reiche steht die Beaufsichtigung und die rechtliche Rege-
lung der beiden partikularen Staatsverkehrsanstalten zu, aber auch
dies nur in einem gegen die gemeingültigen Regeln beschränkten
Umfange !°.
Beschränkt, aber in dieser Beschränkung allerdings ausschliels-
lich, ist die Gesetzgebung des Reiches dem Gegenstande
nach. Sie bezieht sich nur auf die Vorrechte der Post und Tele-
graphie!!, auf die Verhältnisse beider Anstalten zum Publikum '!?,
® Militärkonvention mit Württemberg vom 21./25. November 1870 a. 11.
1 RV.a. 11.
11 Die verfassungsmälsige Zusage an Württemberg — Schlufsprotokoll
vom 25 November 1870 No. 3 —, dafs die Zustimmung desselben vorbehalten
ist, wenn die Ausdehnung der im norddeutschen Bunde über die Vorrechte
der Post geltenden Bestimmungen auf den internen württembergischen Ver-
kehr der Post gröfsere oder andere als bisher daselbst geltende Vorrechte bei-
legen würde, ist zur Zeit durch das Reichspostgesetz vom 28. Oktober 1871
erledigt — s. Laband, Staatsrecht Bd. II S. 45 Note 3 —, bleibt aber als Mafs-
stab bei etwaigen Änderungen der Reichsgesetzgebung bestehen.
12 Auf einer grundsätzlich höchst bedenklichen und rechtlich unzulässigen
Erweiterung in der Auslegung der postalischen Sonderrechte Bayerns und
Württembergs beruht 8 162 des Invaliditätsgesetzes vom 22. Juni 1889. Der-
selbe macht die Geltung der gesetzlichen Bestimmungen, welche den Vertrieb
der Marken der Versicherungsanstalten, sowie der Zusatzmarken ($8$ 99. 121)
durch die Post vorschreiben, von der Zustimmung jedes der beiden Staaten
abhängig. Richtig ist es, dafs an sich die Erweiterung der Zwecke der Post
und damit des „rechtlichen Verhältnisses der Anstalt zum Publikum“ über
ihre hergebrachte und anerkannte 'Bestimmung als Transportanstalt von
Briefen, Gepäckstücken, Zeitungen, Geld, Personen hinaus eine Erweiterung
der Kompetenz des Reiches enthält. Aber dies gilt für alle Beteiligten
des Reiches ohne Ausnahme, ist gemeingültigen Rechtens.. Und gerade
darum kann es sich bei einer solchen Zweckerweiterung nur um eine Ver-
fassungsänderung in den Formen von R.V. a. 78 al. 1, nicht aber al.2 han-
deln. — Sodann aber konkurriert im vorliegenden Falle die Kompetenz des
Reiches über das Postwesen mit der über das Versicherungswesen. Nun ist
es aber ein durch die gesamte Reichsgesetzgebung über jeden Zweifel er-
hobener Grundsatz, dafs das Reich bei Regelung eines seiner Kompetenz
unterliegenden Gegenstandes alle diejenigen Durchführungsmafsregeln, die es
nach seinem legislativen Ermessen für erforderlich hält, anordnen, imsbesondere