Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 70. Das Verhältnis der Reichsfinanzwirtschaft zu den Einzelstaaten. 493 
satz der Gleichbelastung einzuhalten. Das Reich hat seine Finanz- 
wirtschaft in eigener und unmittelbarer Verwaltung zu führen, jedoch 
ist es verfassungsmälsig bei Hebung der Reichssteuern für seine 
Rechnung durch Mitwirkungsrechte der Einzelstaaten in der Weise 
der Selbstverwaltung beschränkt. 
Die Einzelstaaten zu ihrem Teile haben eine mit der des 
Reiches vollkommen gleichartige Finanzgewalt sowohl für die Zwecke 
ihres selbständigen Wirkungskreises als behufs Ausstattung ihrer 
selbstverwaltenden Funktionen auf den Gebieten der Reichskompetenz. 
Allein dieselbe ist im Verhältnis zun Reiche teils beschränkt, teils 
abhängie. 
l. Zunächst eilt der allgemeine Grundsatz, dals überall da, wo 
die vollständige und zweckentsprechende Regelung einer der Beauf- 
sichtigung und der Gesetzgebung des Reiches unterliegenden Angelegen- 
heit auch die Recelung ihrer Beziehungen zur Finanzpolitik der 
Einzelstaaten erforderlich macht, auch diese eine Seite ihrer Ordnung 
der Kompetenz des Reiches anheimfällt.e. Die R.V. selbst — a. 4 
No. 7. 9. a. 54 — hat ausdrücklich die Kompetenz über die See- 
schiffahrt, über den Flöfserei- und Schiffahrtsbetrieb auf gemeinsamen 
Wasserstralsen auch auf die Schiffahrtsabgaben, die Flufs- und sonstigen 
Wasserzölle erstreckt. Aber jener Grundsatz gilt zweifellos und un- 
bezweifelt auch über die besonderen Bestimmungen der Verfassung 
hinaus. 
Das Reich ist daher befugt, über die Zulässigkeit und die Höhe der 
einzelstaatlichen Gebührenerhebung für die seiner Gesetzgebung unter- 
liegenden Verwaltungsakte zu befinden. Das Hauptbeispiel bilden 
hierfür die durch das „gerichtliche Verfahren“ bedingten Gebühren- 
ordnungen. Das Reich ist ferner berufen, jedes sonstige Besteuerungs- 
recht der Einzelstaaten und ihrer Gemeinden zu regeln, welches durch 
seine Ausübung geeignet ist, die beabsichtigten Wirkungen reichs- 
gesetzlicher Bestimmungen zu hemmen oder doch deren Gleichmäfßsig- 
keit zu beeinträchtigen. So hat es jede „besondere“ Besteuerung der 
Presse und der einzelnen Preiserzeugnisse durch das Prelsgesetz vom 
7. Mai 1874 ausgeschlossen, so hat es das Gesetz über die Doppel- 
besteuerung vom 13. Mai 1870 im Interesse des „Indigenates“ und der 
„Freizügigkeit“ erlassen. Das Reich ist nicht minder berechtigt, die 
durch die Regelung einer Angelegenheit hervorgerufene finanzielle 
Belastung zwischen Einzelstaat und Gemeinde zu verteilen. Das Haupt- 
beispiel hierfür bildet das Gesetz über den Unterstützungswohnsitz 
vom 6. Juni 1870. 
2. Vor allen Dingen — das Recht des Reiches, seine Finanz-
	        
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