$ 71. Die Verteilung der Straf- und Zwangsgewalt (Belohnungsrecht). 425
Allein ihre Hervorhebung als eines besonderen Verwaltungszweiges
berührt selbstverständlich nicht die Natur aller Straf- und Zwangs-
sewalt, nur ein Mittel zu sein für die Behauptung der Wesensentfal-
tung des Staates. Beide treten immer nur der Gesamtheit der recht-
lichen Ordnungen hinzu, welche dazu bestimmt sind, auf allen übrigen
Verwaltungszweigen das Wollen und Handeln des Staates im Wechsel-
verhältnis seiner Organe und Unterthanen nach Recht und Pflicht zu
regeln. Die primäre Rechtsordnung gewinnt im Straf- und Zwangs-
recht ihre sekundäre Schutzordnung, welche das notwendige Komple-
ment der ersteren dergestalt bildet, dals beide zusammen erst die
volle Rechtsordnung der zutreffenden „Angelegenheit“ darstellen.
Hieraus ergiebt es sich, dals vom Standpunkt des Staatsrechtes
aus die allgemeinen Bestimmungen über die Straf- und Zwangs-
gewalt, welche die Voraussetzungen ihrer Anwendbarkeit überhaupt
und ihre Mittel nach Art und Mafs regeln, allein den Stoff eines den
anderen Zweigen der Verwaltung koordinierten Verwaltungszweiges
bilden. Es ist dies speciell für das Strafrecht im wesentlichen dessen
„allgemeiner Teil“. Dagegen das System ihrer einzelnen An-
wendungsfälle, der Thatbestände des Unrechtes, mit denen Zwangs-
und Straffolgen verknüpft sind, speciell für das Strafrecht das System
seines „besonderen Teiles“ ist untrennbar verknüpft mit dem
System der einzelnen Verwaltungszweige selbst, deren rechtlichem
Schutze sie dienen!.
ı Das System der rechtlichen Ordnungen, insbesondere der durch Sträfe
und Zwang gesicherten öffentlichrechtlichen Gebote und Verbote, welche dazu
bestimmt sind, das gesellschaftliche Verhalten aller am Staatsleben Beteiligten
zu leiten, abzugrenzen und zu organisieren, entspricht notwendig dem System
der Verwaltung als der Aufgaben des Staates. Nennt man nun die Be-
thätigungen subjektiven Rechtes, die gesellschaftlichen Zustände, die äufseren
Thatbestände,. welche jenen rechtlichen Ordnungen entsprechen und welche
sich als die von denselben beabsichtigten realen Verhältnisse und Bedingungen
des gesellschaftlichen Lebens darstellen, „Rechtsgüter“ und die auf diese ge-
spannten subjektiven Bewulstseinslagen „Rechtsinteressen“, so ist ein System
der „Rechtsgüter“ und „Rechtsinteressen“ oder „rechtlich geschützten Interessen“
und mithin das System der einzelnen Verbrechen nach ihren „Angriffsobjekten“
nur zu gewinnen aus dem System der Verwaltungsaufgaben des Staates.
(Selbstverständlich ist hierbei, dafs dies seine Ergänzung finden muls in dem
System der Privatrechts-Güter und -Interessen, wenn man die Gesamtheit
der „Rechtsgüter“ wissenschaftlich bestimmen will) Doch gilt das nur vom
Standpunkte des Staatsrechtes. Die Darstellung des Strafrechtes insbesondere
von ihrem einseitigen Standpunkte und in ihrer isolierten Betrachtung wird
berechtigt bleiben, ihr System selbständig zu bilden, sei es unter dem Gesichts-
punkte der Abstufungen der Strafwürdigkeit des Verbrechens, des Vergehens,