$ 71. Die Verteilung der Straf- und Zwangsgewalt (Belohnungsrecht), 429
Daher findet aber auch die Kompetenz des Reiches zu straf-
rechtlichen Regelungen auf diesem Gebiete in der besonderen
Klausel der R.V. a. 4, ıs weder ihre Begründung noch eine Be-
schränkung.
I. Dem Wirkungskreise des Reiches, auf dem sich in strenger
Folgerichtiekeit und nur an einzelnen Punkten verstärkt durch be-
sondere Verfassungsklauseln die Straf- und Zwangsgewalt nur als eine
Entfaltungsweise seiner verfassungsmälsigen Kompetenz darstellt, tritt
der Wirkungskreis der Einzelstaaten gegenüber, der ihre
verfassungsmälsige Selbständigkeit ausmacht.
Hier kann ein Übergreifen einzelner Befugnisse, überdies solcher
Befugnisse, die in einem begrifflichen und praktischen Abhängigkeits-
verhältnisse zu der primären Rechtsordnung der die Kompetenzgrenze
bestimmenden „Angelegenheit“ stehen, nur kraft aufserordentlicher und
besonderer Ermächtigung der Verfassung stattfinden.
Eine solche Ermächtigung besteht nirgends für eine erweiterte
Zwangsgewalt des Reiches. Und daraus folgt in unbestrittener
Geltung der Satz: Die Regelung und Handhabung der Zwangs-
rechte, welche zur Durchführung der ihre selbständige Kompetenz
ausmachenden Verwaltungsangelegenheiten erforderlich und geeignet
sind, steht ausschliefslich und allein den Einzelstaaten zu als ihr ver-
fassungsmälsiges, von der Einwirkung des Reiches unabhängiges Recht.
Dagegen für die Strafgewalt hat allerdings R.V. a. 4, ıs eine
solche besondere Ermächtigung geschaffen. Sie ist es, die ein aufser-
ordentliches Übergreifen der Reichsgewalt auf das selbständige Kompe-
tenzgebiet der Einzelstaaten bewirkt. Umfang und Bedeutung der-
selben bedarf daher einer besonderen Darstellung.
Belohnungsrecht.
Die sittliche Kategorie der gerechten Vergeltung findet im Ein-
heitsstaate ihre Bethätigung nicht nur in der Strafgewalt. Ein Gegen-
bild zu dieser bildet überall ein System von Belohnungen,
welche dazu bestimmt sind, gerechte Vergeltung für die Verdienste
um den Staat selbst und um die von ihm zu fördernden und zu
schützenden Interessen zu bewirken.
Die Mittel, welche hierfür dem Staate zu Gebot gestellt werden,
sind vom Standpunkte des Rechtes aus doppelter Art. Sie sind zu
einem Teile nur Verwendungen der dem Staate auch für seine
sonstigen Aufgaben eingeräumten Befugnisse, wie die Anstellung und
Beförderung, aufserordentliche Gehaltsabstufungen und Remunerationen
im Staats- und Militärdienst, finanzielle Dotationen. Zu einem