Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 73. Der Kriegszustand. 433 
— nicht blofs die gegen den Bund gerichteten — politischen Ver- 
brechen und Vergehen, die Ursache oder Folge der die Intervention 
veranlassenden Unruhen sind, vor das eidgenössische Bundesgericht 
gezogen werden — a. 112 Nr. 3 —. Die amerikanische Unionsver- 
fassung läfst als Ausnahmemalfsregel nur die Suspendierung des Rechtes 
auf Writ of habeas corpus — Is. 9 al.2 — zu. Freilich hat gerade 
zu jener Zeit, als die Rebellion der Südstaaten bis zum Bürgerkriege 
anwuchs, die Unionsgewalt, insbesondere durch das Gesetz vom 
20. Februar 1867, das Recht sich angemafst, eine Militärdiktatur über 
die rebellischen Staaten aufzurichten und dieselben zu einer Rekon- 
struktion ihrer Verfassungen nach Anleitung und unter Genehmigung 
des Kongresses zu zwingen. Allein dies war zweifellos ein Vorgang, 
der über die grundsätzliche Gestaltung der Verfassung weit hinauslag. 
Viel tiefer schneidet die deutsche Reichsverfassung ein?. Der 
Artikel 68 derselben ordnet an: 
„Der Kaiser kann, wenn die Öffentliche Sicherheit in dem 
Bundesgebiete bedroht ist, einen jeden Teil desselben in den Kriegs- 
zustand erklären. Bis zum Erlals eines die Voraussetzungen, die 
Form der Verkündigung und die Wirkungen einer solchen Erklärung 
regelnden Reichsgesetzes gelten dafür die Vorschriften des preulsischen 
Gesetzes vom 4. Juni 1851.“ 
Mit dieser Bestimmung ist nicht nur eine gesetzgeberische Kom- 
petenz des Reiches begründet, welche der Durchführung im Wege der 
Gesetzgebung erst noch bedarf, wie dies bei den einschlagenden Be- 
stimmungen der Reichsverfassungen von 1849 — 8 56 bezw. $ 54 — 
der Fall war. Vielmehr ist durch die Anziehung des preulsischen 
Gesetzes ein unmittelbar wirksames, die regelmälsigen Grenzen der 
Kompetenz weit überspringendes Recht geschaffen worden. Damit 
sind. aber zugleich Umfang und Grenzen der Reichskompetenzen 
auf diesem Gebiete näher bezeichnete Der Umfang — denn es 
konnte, ohne Beziehung auf das preulsische Gesetz, insbesondere durch 
die Wahl des Wortes „Kriegszustand“, durch die Stellung des Artikels 
unter den Abschnitt „Kriegswesen“ unklar bleiben, ob auch das, was 
man als „bürgerlichen“, d. h. nicht durch Kriegsgefahr, sondern durch 
inneren Aufruhr verursachten Belagerungszustand bezeichnet, damit 
®? Thudichum, Verfassungsr. d. nordd. Bundes S. 288 ff. v. Mohl, 
Reichsstaatsr. S. 85 fe v. Rönne, Staatsr. d. d. R. I 82 ff. und Staatsr. d. 
preufsischen Monarchie II 206 ff. G. Meyer, Verwaltungsr. I 182ff. Löning, 
Verwaltungsr. S. 290 f. Brockhaus, Das deutsche Heer S. 70ff. Seydel, 
Zeitschrift f. d. Gesetzgebung VII 620 ff. Laband, Staatsrecht II 537 ff. 
Binding, Hardbuch. V. 1: Hänel, Staatsrecht. I. 28
	        
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