446 II. Buch. Die Reichsgewalt.
fassungen von 1849 dem Reiche überhaupt kein anderes Mittel, um
den Ungehorsam gegen die Einzelstaaten zu brechen, als „Klagen der
Reichsgewalt gegen einen Einzelstaat wegen Verletzung der Reichs-
verfassung“ vor dem Reichsgericht — $ 126 bez. $ 124 lit. a. —
Auch hier ist die jetzige Reichsverfassung durchgreifender. Ihr
a. 19 bestimmt in knapper Fassung: 9
„Wenn Bundesglieder ihre verfassungsmälsigen Bundespflichten
nicht erfüllen, können sie dazu im Wege der Exekution angehalten
werden. Diese Exekution ist vom Bundesrate zu beschliefsen und
vom Kaiser zu vollstrecken.“
Der Umfang der hierdurch begründeten Reichskompetenz ergiebt
sich aus der Entwickelung der drei Elemente, aus welchen sich die
Exekution als Gesamtmalsregel zusammensetzt: dem Thatbestand,
durch welchen als Voraussetzung das Recht der Exekution bedingt ist,
der Rechtsentscheidung, durch welche das Zutreffen der recht-
lichen Voraussetzung und die Vollstreckbarkeit der Entscheidung fest-
gestellt wird, endlich der Vollstreckung selbst nach Subjekt und
Mitteln.
I. Die rechtliche Voraussetzung der Reichsexekution ist
jeder durch den Willen der Einzelstaaten bedingte Thatbestand, welcher
mit den kompetenzgemälsen Anordnungen und Einrichtungen des
Reiches in Widerspruch steht. Jede Bundespflicht des Einzelstaates
und jede Verletzung derselben kann die Exekution rechtlich begründen.
1. Sie ist nicht beschränkt durch irgend welche Specialisierung
im Gesamtumfang der Bundespflichten. Allerdings spricht die Verfassung
nur von „verfassungsmälsigen“ Bundespflichten. Allein damit
sind nicht nur diejenigen Bundespflichten getroffen, die eine unmittel-
bare Ableitung aus der Verfassungsurkunde gestatten, sondern der
Ausdruck ist in dem Sinn des „verfassungsmälsigen Gehorsames“ ge-
braucht, in welchem verfassungsmälsig jede Pflicht ist, der die Nach-
weisbarkeit ihrer rechtlichen Begründung zur Seite steht. Die Rechts-
begründung aller Bundespflichten der Einzelstaaten findet aber
allerdings ihre letzte Begründung in der durch die Reichsverfassung
bestimmten und begrenzten Kompetenz des Reiches. In diesem Sinne
ist es für die Zulässigkeit der Exekution völlig gleichgültig, welchen
Inhalt die verletzte Pflicht hat. Es kann sich handeln um Beschaffung
finanzieller oder sonstiger wirtschaftlicher Leistungen an das Reich,
um Unterlassung von Unternehmungen gegen dessen Bestand, seine
Verfassung und die Wirksamkeit seiner Organe, um Herstellung voller
Übereinstimmung der partikularen Gesetze, Anordnungen und Ein-
richtungen mit den Ordnungen, Anordnungen und rechtlichen Ent-