$ 76. Allgemeines Strafrecht und Ordnungsstrafrecht. 457
Befehle, besondere Gebote oder Verbote im einzelnen Falle an die
Unterthanen zu erlassen. Sie werden verstärkt und der Ungehorsam
gegen sie wird geahndet durch die besondere Androhung, Festsetzung
und Vollstreckung der Exekutivstrafen.
Dahin gehören eine ganze Reihe verschiedenartiger öffentlicher
Rechtsverhältnisse, die hier dadurch zu einer Gruppe zusammengefalst
werden, dals ihnen Rechte auf „Ordnungsstrafen“ entspringen.
Unter ihnen hebt sich heraus: die Disciplinargewalt der öffentlichen
Lehrkörper, insbesondere der Universitäten, über ihre Schüler, die
Diseiplinargewalt der Gefängnis-Verwaltungsbehörden über die Sträf-
linge, die Ordnungsgewalt der Behörden, insbesondere der Gerichte,
gegenüber denjenigen, die verpflichtet sind, entweder bei ihren amt-
lichen Funktionen mitzuwirken und ihrer Geschäftsleitung sich unter-
zuordnen (Schöffen, Geschworene, Zeugen, Sachverständige, Rechts-
anwälte, Parteien) oder die sich doch jeder Hinderung derselben durch
„Ungebühr“ zu enthalten haben°.
Den letzteren schliefsen sich endlich an die besonderen Gewalt-
verhältnisse, in denen der Staat selbst nicht als Gewaltinhaber erscheint:
die Diseiplinargewalt des Schiffers über die Mannschaft*, die Ordnungs-
gewalt öffentlicher Korporationen — der Innungen’, der Berufsgenossen-
schaften®, der Invaliditäts-Versicherungsanstalten ? — über ihre Mit-
glieder, die Zuchtgewalt der Faiilienverbände.
2. In allen drei Kategorieen — Disciplinar-, Exekutiv-, Ordnungs-
strafen im engsten Sinne — sind die ÖOrdnungsstrafen Strafen.
Denn sie werden nicht anders als die allgemeinen Strafen angedroht,
um vom Unrecht abzuhalten, und sie werden verhängt, um begangenes
Unrecht zu vergelten. Das wird auch dadurch nicht aufgehoben, dals
in vielen Anwendungsfällen das gesetzgeberische Motiv den Haupt-
nachdruck auf das erste Moment legt, wie denn insbesondere die
Exekutivstrafen nur als Aushülfsmittel an Stelle der rechtlichen Zwangs-
mittel da vikariieren, wo letztere nach Lage der Sache unanwendbar
oder doch ihres Erfolges unsicher sind. Dasjenige vielmehr, was alle
ÖOrdnungsstrafen ihrem Wesen nach von den allgemeinen Strafen unter-
® Gerichtsverfassungsgesetz 88 56. 96. 179. 180. 182. 183; CivilprozefsO.
88 345. 346. 355. 374; Strafprozel[sO. 8$ 50. 69. 77.
* Seemannsordnung vom 27. Dezember 1872 8 79.
5 Gewerk#O. $ 98a No. 5. $ 104b.
6 Unfallversicherungsgesetz vom 7. Juli 1884 88 103 f,; Landwirtschaft-
liches Unfallgesetz vom 5. Mai 1886 $$ 123 ff.; Seeunfallsgesetz vom 13. Juli 1887
ss 117 £.
°" Invaliditätsgesetz vom 22. Juni 1889 $$ 142. 143.