$ 76. Allgemeines Strafrecht und Ordnungsstrafrecht. 459
sie bestimmt ist, insbesondere cessiert die Exekutivstrafe, wenn die
zu erzwingende Handlung nicht fernerhin geleistet werden kann.
3. In allen diesen unterscheidenden Eigentümlichkeiten spiegelt
es sich wider, dals das Ordnungsstrafrecht, anders als das allgemeine
Strafrecht, sich nicht nur als eine den .primären Rechtsordnungen in
relativer Selbständigkeit hinzutretende Schutzordnung darstellt, sondern
vielmehr integrierender Bestandteil, wesentlicher Ausdruck und eigene
Entfaltungsweise des konkreten Gewaltverhältnisses selbst ist. Die
Regelung desselben lälst sich von der rechtlichen Gesamtordnung dieses
sich auch strafend bewährenden Gewaltverhältnisses nur in künstlicher,
sachwidriger Weise loslösen.
II. Aus diesem besonderen Wesen der rechtlichen Erscheinung
rechtfertigt sich denn die Annahme, dafs im Sinne der R.V. a. 4,13
die „gemeinsame Gesetzgebung über das Strafrecht“ die besondere
Anwendung der Gestaltung der Strafgewalt, welche das Ordnungs-
strafrecht bildet, nich t befalst.
1. Die Annahme findet ihre äulsere Bestätigung in der Laee der
Gesetzgebung über das Strafrecht, welche dienorddeutsche Verfassung bei
Formulierung der Klausel vor Augen hatte. Diese Gesetzgebung sollte
nicht eine Erweiterung ihres Stoffes, sondern Einigung erfahren. Nirgends
aber in irgend einer Kodifikation des Strafrechtes war der sachwidrige
Versuch unternommen worden, den Regelungen des allgemeinen Straf-
rechtes die Regelung des ÖOrdnungsstrafrechtes auch nur in seinen
allgemeinsten Anwendungsfällen einzuverleiben. Überall insbesondere
war das Diseiplinar- und Exekutivstrafrecht Gegenstand abgesonderter
Gesetzgebungsakte geblieben.
Verstärkt wird die unterscheidende Auslegung der Verfassungs-
klausel durch ein doppeltes Moment.
Durch die Beschränkung der Reichskompetenz auf die gemein-
same Gesetzgebung. Denn naturgemälfs hat sich das Ordnungsstraf-
recht der individualisierenden und — in der Gliederung des Bundes-
staats — der partikularisierenden Gestaltung der Gewaltverhältnisse,
denen es entspringt, anzuschmiegen.
Sodann durch die Kombination des „Strafrechtes“ mit dem „ge-
richtlichen Verfahren“. Denn wenn dadurch das „Strafrecht“ die
Bedeutung des „materiellen“ Strafrechtes gewinnt, so würde die Ein-
begreifung des Ordnungsstrafrechtes in jenes zu dem sachwidrigen
Schlusse führen, dafs entweder die Kompetenz des Reiches über das
ÖOrdnungsstrafrecht sich nicht auf die Regelung seines prozessualischen
Verfahrens erstrecken oder dafs das letztere unter das gerichtliche
Verfahren gezogen werden sollte. |