8 79. Umfang und Bedeutung. 467
l. Es befalst die Feststellung aller einzelnen That-
bestände des Unrechtes, welche nach dem Ermessen des Ge-
setzgebers als strafwürdig zu erachten sind.
Dies gilt insbesondere von dem Polizeistrafrecht. Freilich,
wenn man darunter im formellen Sinne das Strafrecht versteht, dessen
Regelung nach näherer Malsgabe des positiven Rechtes dem decentra-
lisierten Verordnungsrecht insbesondere der Polizeibehörden zu-
geschrieben ist, so wird dasselbe wesentlich mit demjenigen Teile des
Strafrechtes zusammenfallen, welcher nach der Absicht der Reichsver-
fassung der partikularen Rechtsbildung vorbehalten werden soll.
Allein in irgend einem materiellen Sinne genommen, könnte das
„Polizeistrafrecht“ eine Beschränkung der Reichskompetenz nur durch
den Nachweis herbeiführen, dafs dasselbe eine wesentlich andere Natur
an sich trüge als das allgemeine Strafrecht. Die wissenschaftlichen
Versuche eines solchen Nachweises haben zu durchaus verschiedenen
Resultaten geführt.
In einer Auffassung des Staates, welche als unmittelbaren
Zweck desselben nur die Errichtung und Sicherstellung „des recht-
lichen Zustandes der bürgerlichen Gesellschaft“, den Wohlfahrtszweck,
die „Polizei“ aber nur als eine mittelbare, der Förderung und
Sicherung der Rechtsordnung dienstbare Staatsaufgabe anerkannte,
wurde das Verbrechen im engeren Sinne begründet durch solche Straf-
eesetze, welche die durch den Rechtszweck geforderten Rechte der
Unterthanen und des Staates gegen Verletzung schützen, das Polizei-
vergehen durch solche Strafgesetze, welche das Recht des Staates auf
Gehorsam gegen ein bestimmtes, an sich nicht rechtswidrige Hand-
lungen verbietendes Polizeigesetz sichern. So insbesondere Feuer-
bach!. Als dann die Enge dieses Staatsbegriffes der politischen Ent-
wickelung nicht genügte, wurde der Unterschied wesentlich in dem
Erfolge der rechtswidrigen Handlung gesucht. Den strafbaren That-
beständen, die eine Verletzung der Rechtsordnung darstellten, als
Verbrechen, wurden die anderen Thatbestände als Polizeivergehen
entgegengesetzt, welche sich nur als „Gefährdung“ charakterisierten.
So Köstlin. Endlich unterschied man wiederum innerhalb der „Ge-
fährdung“ Thatbestände, die eine solche verwirklichen, von den
anderen Thatbeständen, die eine Gefährdung nur als mögliche erscheinen
lassen, und findet ausschließslich in den letzteren den Stoff des Polizei-
strafrechtes. So Merkel, Hälschner, von Lilzt.
Allein in allen verschiedenen Auffassungen kann der Punkt nicht
! Lehrbuch, 8. Aufl., 8$ 8. 22. 432.