Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 79. Umfang und Bedeutung. 469 
deutschland als eine authentische und gemeingültige erachtet werden 
mußs?. 
2. Aber nicht nur die Feststellung der einzelnen strafbaren 
Thatbestände in ihrer Individualität und in ihren mannigfachen 
Gruppen, auch die allgemeinen Grundlagen des Straf- 
rechtes unterliegen der Reichskompetenz. Ja es ist in erster Linie 
die Aufgabe der Reichsgesetzgebune, die allgemeinen Rechtssätze zur 
Geltung zu bringen, welche die Regelung der Strafgewalt, abgesehen 
von den Besonderheiten des Einzelfalles, bewirken. Sie- treffen die 
Voraussetzungen der Strafwürdiekeit überhaupt und ihrer Modalitäten 
in Zurechnungsfähigkeit, in Vorsatz und Schuld, in Vollendung und 
Versuch, in Thäterschaft und Teilnahme; die Strafmittel nach Art und 
Mafs, nach Haupt- und Nebenstrafen, in ihrer 'Vereinzelung und in 
ihrem systematischen Zusammenhang und einschliefslich der Strafvoll- 
zussordnung; die Gründe, welche die Strafbarkeit ausschliefsen oder 
wieder aufheben, erschweren oder mildern. 
Mit dem allen ist das Reich berufen den „allgemeinen Teil 
des Strafrechtes“ zur „gemeinsamen Gesetzgebung“ zu erheben — mit 
der Wirkung, dafs derselbe nicht nur für das Reichs-, sondern auch 
für das Landesstrafrecht bindend ist. Die Frage, ob und in welchem 
Umfange die „Einleitenden Bestimmungen“ und der „Erste Teil 
(»Von der Bestrafung der Verbrechen, Vergehen und Übertretungen 
im allgemeinen«)“ des deutschen Strafgesetzbuches die unabänderliche 
Richtschnur für das Partikularrecht bilden, mag streitig sein für die 
Ausiegung dieses Gesetzes, sie ist aber in keinem Falle eine Frage 
der Reichskompetenz. Daraus folgt denn aber: die Strafgewalt der 
Einzelstaaten ist auch in dem partikularen Bereiche, in dem sie ihnen 
geblieben ist, keine selbständige, nicht der des suveränen Staates 
gleichartige. Sie unterliegt vielmehr auch in ihrer gesetzgeberischen 
Bethätigung den Direktiven der Reichsgesetzgebung. Die Strafgewalt 
des Reiches ordnet sich damit die gesamte allgemeine Strafgewalt 
der Einzelstaaten unter; nur ist diese Abhängigkeit eine verschieden 
abgestufte, je nachdem es sich um das „gemeinsame“ oder um das 
der Partikulargesetzgebung zugänglich bleibende Strafrecht handelt. 
3. Vor allen Dingen — die Strafgesetzgebung des Reiches befalst 
zugleich die Kompetenz zur Aufstellung der „Normen“, derjenigen 
öffentlichrechtlichen Gebote und Verbote, welche durch die Straf- 
androhung Schutz gewinnen sollen. 
38. Binding, Handbuch d. Strafrechts I 276 und die daselbst Note 9 
angeführte Litteratur.
	        
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