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hierzu ohne jede Rücksicht auf seine primären Kompetenzen insofern
und insoweit kompetent, als es damit zugleich die strafgesetzliche
Sanktion verbindet.
I. Mit dem allen gewinnt denn aber die Strafgewalt des Reiches
ihre aufserordentliche Tragweite.
Man hat gesagt, die Übertragung der „gemeinsamen Gesetzgebung
über das Strafrecht“ auf den Bund auch zum Schutze der rechtlichen
Ordnungen, die ihrem Gegenstande nach verfassungsmälsig der Kompe-
tenz der Einzelstaaten anheimfallen, widerspricht der Natur des Bundes-
staates. Den Einzelstaaten gebühre die Strafgewalt zu selbständigem und
eigenem Rechte, soweit ihr eigener und selbständiger Wirkungskreis
sich erstrecke. Denn dieselbe sei die ultima ratio für das innere
Rechtsleben des Staates, wie der Krieg für seine äulsere Thätigkeit.
Werde dies nicht anerkannt, alsdann seien die Einzelstaaten in ihrem
innersten Eigenleben getroffen und mit allem, was sie sind und haben,
unter die Vormundschaft des Bundes gestellt, alsdann sei der Einzel-
staat in seinem individuellen Wirkungskreis ein niedreres staatliches
Wesen als der Bund in dem seinigen®.
Diese Folgerung ist unweigerlich richtig. Aber sie ist mit allen
den Voraussetzungen, aus denen sie abgeleitet ist, positiven Rechtens
in Deutschland. Sie beseitist zu ihrem Teile die Auffassung des
Bundesstaates als die unverbundene, zu einem Gesamtherrschaftsver-
hältnis nicht organisierte Gegenüberstellung zweier selbständiger staat-
licher Wirkungskreise. In Deutschland empfängt die gesamte primäre
Rechtsordnung, empfangen insbesondere die Existenz, die Funktionen
und Aufgaben der Einzelstaaten ihre gemeinsame strafrechtliche Schutz-
ordnung aus der Hand des Reiches.
Und diese Einordnung und Unterordnung auch des selbständigen
Wirkungskreises der Einzelstaaten in und unter den (Gesamtstaat
empfängt ihren letzten Abschlufs durch die Unterscheidungslosigkeit
der Gebots- und Verbotsgewalt von der Strafgewal. Dem Reiche
steht die verfassungsmälsige Macht zu, um der Strafwürdiekeit des
Unrechtes willen Recht zu setzen in einem Umfange,. welcher, ge-
messen an der grundsätzlichen Kompetenzverteilung zwischen ihm und
den Einzelstaaten nach „Angelegenheiten“, ein grenzenloser ist.
® Heinze, Erörterungen, insbesondere 8. 89 ff.