Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

476 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
gesetzliche Mafs hinausreichenden Leistung erheischt — bei den Offi- 
zieren, militärischen Beamten, Kapitulanten —, beruhen dieselben, wie 
im Beamtenverhältnis, auf Freiwilligkeit. 
4. Der besonderen rechtlichen Gestaltung des zu Grunde liegen- 
den Gewaltverhältnisses entspricht folgerichtig eine besondere Ge- 
staltung seiner rechtlichen Schutzordnung. DBehufs Aufrecht- 
erhaltung der Organisation und Funktion der Kriegsmacht gegen Auf- 
lehnung und Ungehorsam findet eine Verschärfung der Zwanes- und 
Strafgewalten statt. Das Zwangsmittel der Waffengewalt dient nicht 
nur zur Abwehr von äulseren Angriffen, sondern im Notfalle auch zur 
Durchsetzung des militärischen Befehles gegen die Untergebenen?. 
Ein in den strafbaren Thatbeständen, Strafarten und Strafzumessungen 
eigentümliches Strafrecht*, eine militärische Strafgerichtsbarkeit mit 
einem ausnahmsweisen Verfahren vor ausnahmsweise organisierten In- 
stanzen’, eine besondere Diseiplinarordnung® begründen überall ein 
Sonderrecht der Kriegsmacht von durchgreifender Strenge. 
5. Das nach Gehalt, Begründungsweise und Schutzordnung 
charakterisierte Rechtsverhältnis befalst einen scharf abgegrenz- 
ten Personenkreis, welcher durch die an bestimmte gesetzliche 
Merkmale gebundene Zugehörigkeit zum Heere und zur 
Flotte festgestellt wird. 
Doch tritt hierbei ein doppelter Unterschied ein. 
a. Zunächst der Unterschied zwischen der Zugehörigkeit zur 
aktiven Kriegsmacht und zum Beurlaubtenstande. 
Nur für das aktive Heer und die aktive Flotte ist das militärische 
Gewaltverhältnis ein aktuelles. Dagegen ist dasselbe für den Be- 
urlaubtenstand insofern und insoweit ein ruhendes, als gegenüber 
den Beurlaubten eine Ausübung nicht stattfindet. Aktuell ist es für 
die Beurlaubten nur insofern und insoweit als sie nach Malsgabe der 
Gesetze verpflichtet sind, sowohl den Einberufungsordres nachzukommen 
als sich den militärischen Kontrollen zu unterziehen, und sie dadurch 
in dienstliche Beziehungen zu den militärischen Vorgesetzten, ins- 
besondere den Bezirkskommandos, gesetzt werden’. 
3 Militärstrafgesetzbuch $ 124. 
4 Militärstrafgesetzbuch für das deutsche Reich vom 20. Juni 1872. 
5 Die für Deutschland gemeingültige preufsische Strafgerichtsordnung 
vom 3. April 1845, neben der für Württemberg die Militärstrafgerichtsordnung 
vom 20. Juli 1818, in Bayern die vom 28. April 1872 gilt. 
6 Disciplinarstrafordnung für das Heer vom 31. Oktober 1872, für die 
Marine vom 23. November 1872. 
' Militärgesetz vom 2. Mai 1874 Abschnitt III und V; Kontrollgesetz vom 
15. Februar 1875; Wehrordnung vom 22. November 1888 Teil I.
	        
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