482 II. Buch. Die Reichsgewalt.
dem Malse statt, als nach der ehemals preulsischen und jetzt deutschen
Gesetzgebung eine Mitwirkung der Civilbehörden bei der Aushebung
der Mannschaften oder bei militärischen Kriegs- und Friedensleistungen
oder im Falle der Requisition behufs militärischer Unterstützung der
Civilverwaltung vorgesehen ist. Aber diese äulseren Beziehungen der
Marineverwaltung zu anderen Verwaltungszweigen ändern nichts an
ihrem inneren Gehalt. Die Kompetenz des Reiches in dem Wirkungs-
kreise der Kriegsmarine ist die des Einheitsstaates, ist eigene und un-
mittelbare Verwaltung und zwar in voller Ausschliefslichkeit gegen-
über den Einzelstaaten.
Das gilt auch von dem Teile der Marineverwaltung, welcher durch
R.V. a. 53 al. 2 bezeichnet wird: „der Kieler Hafen und der Jade-
hafen sind Reichskriegshafen“. Allerdings ist es anerkanntermafsen
nicht die Absicht der R.V. durch diese Bestimmung reicbsunmittel-
bare Gebiete zu schaffen. Dem Reiche wird hierdurch nur das Recht
gewährt, alle diejenigen Anordnungen, Einrichtungen und Veranstal-
tungen auf dem Gebiete des Einzelstaates zu treffen, welche zur Be-
nutzung der beiden Hafen als Kriegshafen erforderlich sind. Allein
welchen Umfang diese Rechte gewinnen sollen, wieweit insbesondere
den Reichsbehörden unmittelbar wirsame Verordnunes-, Verfügungs-
und Zwangsrechte einzuräumen seien —- hierüber hat nach freiem
Ermessen des Notwendigen und Zweckmälsigen ausschliefslich das
Reich zu entscheiden, wie dies durch Gesetz vom 19. Juni 1883 über
die Reichskriegshafen geschehen ist.
C. Die Landmacht des Reiches.
I. Die Zweiteilung des deutschen Heeres.
8 82.
Das Heer im Staatenbunde und Bundesstaäate.
Im vollen Gegensatz zu der Einfachheit und Klarheit der Rechts-
stellung der deutschen Kriegsmarine steht die Fülle und Künstlichkeit
der Bestimmungen, welche die Landmacht des Reiches regeln.
In Deutschland wie in allen organisierten Staatenverbindungen
der verschiedenen Länder und Zeiten hat die Gestaltung der Kriegs-
macht das schwierigste Problem gebildet. Seine Lösung fand überall
statt unter Kämpfen mit historischen Traditionen, mit politischen
Prätensionen und selbst mit Empfindlichkeiten der Etikette, die zu
den verschiedenartigsten Kompromissen zwischen den centralisierenden
und decentralisierenden Strebungen geführt haben.