Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 82. Das Heer im Staatenbunde und Bundesstaate. 485 
Aufruhr und zur Abwehr feindlicher Einfälle für erforderlich er- 
achtet?®. 
2. Vollkommen abweichend ist das Militärwesen der Schweizer 
Eidgenossenschaft geregelt. Sie ist nicht berechtigt — wohl 
aber sind es die Kantone bis zu einer gewissen Maximalzahl der 
Mannschaft —, stehende Truppen zu halten. Das Bundesheer ist 
Milizarmee. 
Für dasselbe galt nach der Verfassung von 1848 das Kontingents- 
prinzip. Die Kontingente waren in matrikularmälsiger Stärke von 
den Kantonen zu halten. Dem Bunde stand nur zu die Gesetzgebung 
über die allgemeine Organisation des Bundesheeres, die Ausbildung 
der Specialwaffen und der höhere Militärunterricht, die Überwachung 
der kantonalen Militärverwaltung, die Verfügung und damit der Ober- 
befehl für die Zwecke des Bundes, unbeschadet des gleichen Ver- 
fügungsrechtes der Kantone für ihre Zwecke. 
Erst die Verfassungsrevision von 1874 — und auf Grund der- 
selben das Militärorganisationsgesetz vom 13. November 1874 — 
brachte eine schärfere Centralisation zum Durchbruch. Sie reihte die 
gesamte militärpflichtige Mannschaft dem Bundesheere ein, sie er- 
streckte die Bundesgesetzgebung auf das gesamte Militärwesen, sie 
setzte. das Bundesheer nicht mehr ausschliefslich aus ungemischten 
Truppenkörpern der Kantone zusammen, sondern .gestattete die For- 
mation von eidgenössischen, aus den Mannschaften verschiedener Kan- 
tone gebildeten Truppeneinheiten, .sie verstärkte das Verfügungsrecht 
des Bundes zu einem primären, insbesondere dahin, dafs dasselbe „in 
Zeiten der Gefahr“ zu einem ausschliefslichen und unmittelbaren Ver- 
fügungsrechte über alle:Mannschaften und Machtmittel der Kantone 
wurde. Aber trotzdem‘. beliels sie ‘es bei dem Grundsatze, dals die 
Ausführung der Gesetze in: den .Kantonen, insbesondere die Er- 
nennung und Beförderung der Offiziere der ungemischten Truppen- 
körper, das Bekleidungs- und Ausrüstungswesen den Kantonen verblieb. 
Nur der gesamte „Militärunterricht“ — im Sinne der gesamten tech- 
nischen Ausbildung der Truppen — und ebenso die Bewaffnung, die 
Besoldung und Verpflegung während des Bundesdienstes wurden Sache 
des Bundes‘. 
3. Auch die deutsche Reichsverfassung von 1849 — 
  
  
®a.Is.8al. 12. 13. 14. 15. 16. s. 10 al. 3. 
* Schweizer Bundesverfassung von 1848 aa. 13. 18. 19. 20. 74 No. 9, ver- 
glichen mit denselben Artikeln und aa. 20. 21. 85 No. 9 der Verfassung 
von 1874.
	        
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