486 I. Buch. Die Reichsgewalt.
und ebenso, nur in weiteren partikularistischen Koncessionen, die
Unionsverfassung desselben Jahres — nimmt das Kontingents-
prinzip zum Ausgangspunkte. Sie stellt — vorbehaltlich des Zu-
sammenschlusses der kleineren Staaten zu gröfseren militärischen
Ganzen unter unmittelbarer Leitung der Reichsgewalt — grundsätz-
lich fest:
„Das Reichsheer besteht aus der gesamten Landmacht der
einzelnen deutschen Staaten.“ — $ 12 —
„Die Reichsgewalt ausschliefslich? hat in betreff des Heerwesens
die Gesetzgebung und die Organisation, sie überwacht deren Durch-
führung in den einzelnen Staaten durch fortdauernde Kontrolle.“
—813 —
„Der Reichsgewalt steht die gesamte bewaffnete Macht Deutsch-
lands zur Verfügung.“ — $ 11 —
Demgemäfs sollte den Einzelstaaten die gesamte vollziehende Ver-
waltung verbleiben, insbesondere die Verfügung, der militärische Be-
fehl über „ihre bewaffnete Macht“, soweit sie nicht für den Reichs-
dienst in Anspruch genommen wurde, die Ernennung der Befehlshaber
und Offiziere ihrer Truppen, soweit deren Stärke sie erheischt; denn
das Reich empfing Ernennungsrechte im Frieden nur für die aus mehreren
Staaten kombinierten Truppeneinheiten, im Kriege aber nur für die
Commandeure selbständiger Corps und für das Personal des Haupt-
quartierss. Verbleiben sollte den Einzelstaaten auch die gesamte
Finanzierung des Militärwesens, nur mit dem Anspruch auf Erstattung
der Kosten bei Verwendung der Truppen zu Reichszwecken, wenn
dadurch der festgesetzte Friedensstand überstiegen wurde.
III. Bei .einer so verschiedenartigen Gestaltung der militärischen
Verhältnisse in den bundesstaatlichen Vorbildern mufste um so mehr
zur Zeit der Gründung des norddeutschen Bundes die Reorganisation
des Heerwesens den kritischen Punkt abgeben. Die strenge Kon-
centration der Gewalten, welche das preufsische Heer aufwies und
welche nach den vergeblichen Reformversuchen im ehemaligen deut-
schen Bunde sich als die Richtschnaur auch für die neuen Bundes-
verhältnisse aufdrängen mulste, stiels auf eine historische Tradition
und auf eine rechtliche Auffassung, welche die Militärhoheit der Einzel-
staaten als den hervorragendsten Bestandteil der Staatsgewalt, als das
recht eigentliche Zeichen ihrer Suveränetät betrachtete.
Die „Grundzüge“ vom 14. Juni 1866 hatten diesen Hindernissen
5 Die Unionsverfassung streicht das „ausschlielslich* und „die Organi-
sation“ und beschränkt die Gesetzgebung auf allgemeine Gesetzgebung.