Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 83. Das bayerische Sonderrecht u. d. gemeingültige Verfassungsrecht. 489 
sebühren, gleichgültig wem dieselben sonst, ob dem Kaiser oder dem 
Bundesrate, gemeingültig zustehen mögen. 
Sodann steht im Kriege der Befehl auch über das bayerische 
Heer dem Kaiser zu, genau so wie über die anderen deutschen Truppen, 
daher mit der im bayerischen Fahneneid verbürgten Wirkung un- 
bedingten Gehorsams. Aber auch in dieser Beziehung ist es der Be- 
fehl des Königs, der die Kriegsbereitschaft anordnet und damit den 
Eintritt des kaiserlichen Befehles bewirkt — allerdings mit der 
doppelten Malsgabe, dals dieser königliche Befehl auf Veranlassung 
des Kaisers verfassungsmälsige Pflicht ist, sowie dafs der König nicht 
aus eigener Initiative, sondern nur auf diese Veranlassung des Kaisers 
hin die Kriegesbereitschaft sei es des ganzen sei es eines Teiles des 
Kontingentes anordnen darf. 
Nur an diesen beiden Punkten kann die bayerische Armee als 
„Bestandteil des deutschen Heeres“ bezeichnet werden. Aber sie bleibt 
auch damit nur ein Kontingent im vollen und eigentlichen Wort- 
sinn, d. h. die Militärhoheit des Königs von Bayern in selbständiger 
Befehlsgewalt und selbständiger Verwaltung ist nur den verfassungs- 
mälsigen Beschränkungen unterworfen, welche es bereits im Frieden 
sicher stellen, dafs das bayerische Heer im Kriegsfall als ein technisch 
gleichartiges Glied in den Verband des deutschen Heeres und unter 
den Befehl des Kaisers gestellt werden kann. 
Für das bayerische Heer bleibt daher, solange nicht der Kriegs- 
befehl des Kaisers eintritt, die grundsätzliche Verteilung der Regie- 
rungsrechte der R.V. a. 4, wonach die Rechte des Reiches auf Be- 
aufsichtigung und Gesetzgebung beschränkt sind, trotz der Special- 
bestimmungen des Abschnittes XI, die eine wesentliche Umwandlung 
jenes Grundsatzes gemeingültig herbeiführen, sonderrechtlich bestehen. 
I. Im Gegensatze zu diesem bayerischen Sonderrecht stehen die 
gemeingültigen Bestimmungen der Verfassung, welchen alle 
übrigen deutschen Staaten, auch Württemberg, wenngleich dieses in 
vertragsmälsiger Modifizierung, unterworfen sind- Doch auch sie ge- 
währen keine einfache und reine Entscheidung. 
Allerdings an der Spitze steht der Grundsatz des a. 63: „Die 
gesamte Landmacht des Reichs wird ein einheitliches 
Heer bilden“. — Aber gleichzeitig spricht die Verfassung von 
Kontingenten, Kontingentsherren, eigenen Truppen der 
Landesherren und von der preufsischen Armee. Und die grund- 
sätzliche Bestimmung, wieweit hiernach die Verfassung die Einheit- 
lichkeit des Heeres in der näheren Kompetenzabgrenzung zwischen 
Kaiser und Kontingentsherren, zwischen Reich und Einzelstaat ab-
	        
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