4923 I. Buch. Die Reichsgewalt.
worden“. Aber nur die Württembergische Militärkonven-
tion vom 21./25. November 1870 ist in Formen entstanden und hat
in der Reichsverfassung selbst — Schlufsbestimmung zum XI. Ab-
schnitt — die Anerkennung gefunden, welche ihr rechtliche Gültigkeit
auch in ihren Abweichungen von der Reichsverfassung zusichert. Da-
gegen haben alle übrigen Militärkonventionen eine verfassungsmälsige
Sanktion des Reiches nicht empfangen. Sie können daher den Be-
stimmungen der Verfassung und der Gesetze des Reiches keinerlei
Abbruch thun®. Sie können weder die Kompetenzen des Reiches
schmälern, noch auch die Rechte des Kaisers einengen, noch auch nur
die in der Verfassung vorgeschriebene Stellung der Landesherren, so-
weit deren Rechte nicht ausdrücklich als verzichtbar erklärt sind, ab-
die Rechte der Gesamtheit zum Objekte eines Vertrages mit einem Einzelstaate
zu machen, hätte notwendig, ausdrücklich und sofort bei a. 64 ausgesprochen
werden müssen. Sie kann aus einem Citat in a. 66, welches durch die Ab-
sicht der Limitierung der dort bezeichneten einzelstaatlichen Rechte gram-
matikalisch und logisch durchaus gerechtfertigt ist, nicht gefolgert werden.
* S. dieselben in den „Militärgesetzen des deutschen Reiches“, heraus-
gegeben auf Veranlassung des preufsischen Kriegsministeriums. 2. Aufl. 1890.
155 fl.
5 Die Militärkonvention mit dem Königreich Sachsen vom 7. Februar
1867 nimmt unter diesem Gesichtspunkte eine Sonderstellung gegenüber allen
übrigen Militärkonventionen ein. Sie enthält Bestimmungen, die von der
Verfassung entweder ausdrücklich abweichen oder doch solche Abweichungen
in ihrer Auffassung und Handhabung als zulässig erscheinen lassen. Sie ist
abgeschlossen zu einer Zeit, wo der König von Preufsen noch nicht als Prä-
sidium oder Oberfeldherr des Bundes legitimiert war, für den norddeutschen
Bund, der noch nicht konstituiert war, vertragsmäfsige Verbindlichkeiten ein-
"zugehen. Sie war sogar ein geheimer Vertrag — a. 10 —, der nicht einmal
die an dem Verfassungsvertrag beteiligten anderen Kontrahenten anging. Sie
‚legte ihren Klauseln den preufsischen Verfassungsentwurf zu Grunde, der
vielfache Veränderungen selbst im Militärwesen erlitt. War es die Absicht
der Kontrahenten, dafs dieser Vertrag „in Kraft treten und bleiben“ sollte,
„unabhängig von allen ferneren darauf“ — auf das Bundeskriegswesen —
„bezüglichen Verhandlungen“, sollte er bewirken, dafs selbst Bestimmungen
der später festgestellten Verfassung „auf das Verhältnis zum Kgr. Sachsen
keine Anwendung finden“, wie dies das Nachtragsprotokoll vom 8. Februar
1867 — Militärgesetze I 69 — unternimmt, so mufste dem Vertrage in denselben
Formen, wie dies für den bayerischen und württembergischen Vertrag ge-
schah, verfassungsmälsige Geltung verschafft werden. Da dies nicht ge-
scheben ist, so kann nur eine rechtliche Auffassung über die Bedeutung
der Bundes- und Reichsverfassung gegenüber partikularen Verträgen der
Einzelstaaten untereinander, welche der Widerlegung nicht wert ist, der
sächsischen Militärkonvention irgend welche Bedeutung gegen die Be-
stimmungen der Verfassung oder auch nur für die Erläuterung derselben
zuschreiben.