500 II. Buch. Die Reichsgewalt.
militärischen Verordnungsrechtes, der die näher bezeichneten
Gegenstände der Militärverwaltung angeht, Preulsen das Recht gewährt,
durch seine einseitigen Anordnungen das materielle Recht, das in
Deutschland Geltung gewinnen soll, festzustellen.
- Damit bleibt denn aber auch hier der Satz in Geltung: das ob-
jektive Recht, welches das deutsche Heer regelt, ist ein einheitliches,
weil es nur von Reichs wegen erzeugt und fortgebildet werden kann.
2. Der militärische Befehl.
8 85.
Der militärische Befehl, dem nach R.V. a. 64 der unbedingte
Gehorsam aller Truppen entspricht, befalst seinem Gegenstande
nach ein Doppeltes: die planmälsige Zusammenreihung dienstpflichtiger
Mannschaften und Befehlshaber, welche die Formationen der Armee er-
giebt, sodann die Dienstleistungen, welche die Ausbildung zum Waffen-
handwerk und die Niederwerfung feindlicher Widerstände gegen die
Staatsgewalt bewerkstelligen — beides selbstverständlich innerhalb
und nach Malsgabe der geltenden gesetzlichen Bestimmungen.
I. Der militärische Befehl über „die gesamte Landmacht des
Reiches“ steht nach R.V. a. 63,ı im Kriege und im Frieden dem
Kaiser zu, und zwar der Befehl schlechthin, nicht blols der
Oberbefehl.
Allerdings war dies letztere die Linie, welche die preulsischen Grund-
züge vom 14. Juni 1866 art. IX einhielten. Sie erkannten dem König
von Preulsen nur eine Oberfeldherrnschaft zu, sie bezogen dessen
Sorge für die Kriegstüchtigkeit der Armee nur auf die „bundes-
beschlulsmäflsigen Kontingente“, sie verstellten selbst die
Anordnung der Kriegsbereitschaft nur zur Ausführung durch die
Bundesregierungen. Allein diese Linie hat die norddeutsche
Verfassung, wie jetzt die Reichsverfassung, in voller Absichtlichkeit
nieht nur durchbrochen, sondern beseitigt. Sie hat selbst den An-
klane an einen blofsen Oberbefehl über Kontingente, den noch die
Fassung des preulsischen Entwurfes zur norddeutschen Verfassung ent-
hielt, durch ihren Wortlaut ausgemerzt!.
ı Im a. 53 R.V. ist dem Kaiser nur der Oberbefehl über die Kriegs-
marine zugeschrieben; nach der Organisation derselben ist die Annahme aus-
geschlossen, als ob damit eine andere Beschränkung der kaiserlichen Be-
fehlsgewalt, als die durch jede hierarchische Gliederung des Behördensystems
gegebene, ausgesprochen ist. Bemerkenswerterweise war in dem preulsischen
Bundesverfassungsentwurf vom 15. Dezember 1866 dem König von Preufsen