Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 85. Der militärische Befehl. 501 
Ist aber der militärische Befehl schlechthin das verfassungsmälsige 
Attribut des Kaisers, dann ereiebt die Folgerichtigkeit der Auslegung 
auch die Geltung der Sätze, welche nur andere Wendungen des Ver- 
fassungssatzes bei identischem Inhalte sind: 
es giebt keine andere Befehlsgewalt im deutschen Heere als 
die des Kaisers, 
alle Befehlshaber im Heere sind dem Kaiser militärisch sub- 
ordiniert, 
jede Befehlshabung im Heere kann nur ausgeübt werden kraft 
rechtlicher Ableitung aus dem Rechte des Kaisers. 
Dann kann und darf von einem Oberbefehle des Kaisers über 
das Heer in keinem andern Sinne gesprochen werden, als im Einheits- 
staate, oder als die Reichsverfassung das Wort für die Kriegsmarine 
anwendet. Das heifst: der Befehl des Kaisers gliedert sich, wie selbst- 
verständlich, in einer planmälsigen Hierarchie ihm selbst unbedingt 
untergeordneter, untereinander bald über- und untergeordneter, bald 
koordinierter Befehlshaberstellen. Aber derselbe ist nicht Oberbefelil 
im Sinne irgend welcher rechtlichen Beschränkung durch eine eigen- 
berechtiste Befehlsgewalt über die Kontingente. 
Die Specialisierungen der Verfassung haben dies in einer Reihe 
von Bestimmungen gerade in Rücksicht auf den Bestand der Kon- 
tingente durchgeführt. 
auch über das Bundesheer nur die Eigenschaft eines Oberfeldherrn mit dem 
Oberbefehl zugeschrieben. Allein nach diesem Entwurf waren die Rechte 
des Oberfeldherrn stärkere, die Rechte der Landesherren geschmälertere als 
jetzt. Der Oberfeldherr ernannte nicht nur den Höchstkommandierenden jedes 
Kontingentes, die Befehlshaber mehrerer Kontingente, die Festungskomman- 
danten, sondern auch die gesamte Generalität und Generalstellung versehenden 
Offiziere; er war berechtigt „behufs Versetzung mit Beförderung für die von 
ihm im Bundesdienst und im preufsischen Heere zu besetzenden Stellen aus 
den Offizieren aller Kontingente des Bundesheeres zu wählen“ (so mufs Hänel, 
Studien I 275 korrigiert werden. Die Bundesfürsten hatten, abgesehen 
von der beschränkten Offizierernennung, ausschlie[slich (nicht nament- 
lich) das Recht der Inspizierung, Rapporte, Meldungen, Mitteilungen, nur ein 
Requisitionsrecht auch der eigenen Truppen zu polizeilichen Zwecken; der 
Satz: „Sie sind Chefs aller ihren Gebieten angehörenden Truppenteile und ge- 
niefsen die damit verbundenen Ehren“, fehlte (gleiche Korrektur Hänels wie 
oben), ebenso wie die Bestimmung über die äufseren Abzeichen der Truppen 
(jetzt a. 63 al. 2). In den Beratungen der verbündeten Regierungen wurden 
diese Rechte zu ihrem jetzigen Malse erweitert; jetzt konnte das Mifsverständnis 
entstehen, als ob neben dem Oberbefehl des Oberfeldherrn eine Beteiligung 
der Kontingentsherren an dem regelmäfsigen militärischen Befehl stattfinde 
und so verwandelte man jetzt den Oberbefehl in Befehl schlechthin, den 
OÖberfeldherrn in den Bundesfeldherrn.
	        
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