$ 85. Der militärische Befehl. 505
die Landesherrn „Chefs“ dieser Truppenteile — ein Ausdruck, der
schlechterdings keinerlei Stellung in der hierarchischen Gliederung
des Militärbefehles bezeichnet, sondern nur eine Ehrenstellung neben
derselben. Die Verfassung a. 66 selbst definiert den Inhalt dieser
Stellung als das Recht auf militärische Ehrenbezeugungen und nament-
lich auf jederzeitige Inspizierung, auf regelmälsige Rapporte und Mel-
dungen über vorkommende Veränderungen, auf Mitteilung und Publi-
kation der die betreffenden Truppenteile berührenden Avancements
und Ernennungen!®. Die Militärkonventionen haben des näheren die
Landesherren behufs Wahrnehmung dieser Rechte, nicht aber
behufs Ausübung regelmäfsiger, mit dieser Charge verbundener Be-
fehlsfunktionen, mit der Stellung eines kommandierenden Generales,
insbesondere mit dessen Disciplinargewalt ausgestattet.
Vor allen Dingen aber ist den Landesherren durch R.V. a. 66, 2
das Recht eingeräumt worden, zu polizeilichen Zwecken ihre
eigenen Truppen zu „verwenden“ und alle anderen Truppenteile
des Reichsheeres, welche in ihren Ländergebieten disloziert sind,
zu „requirieren“ !".
Die Bestimmung ist für die Rechtsstellung der Landesherren von
gewichtigster und zwar doppelter Bedeutung.
Sie konstituiert zunächst die Schutzpflicht des Reiches
für die innere Landesverwaltung in einem verschieden ab-
gestuften Rechte des’ Landesherrn. Für die im Landesgebiet .dis-
lozierten, aber nicht „eigenen“ Truppenteile ist er auf die Form des
Ersuchens, der Requisition angewiesen. Dagegen seine „eigenen“
Truppen „verwendet“ er, die Form der Anordnung, der Verfügung
steht ihm gegenüber dem militärischen Befehlshaber zu Gebote '®.
Allein so wenig im Einheitsstaate die Entscheidung darüber, ob und
unter welchen Voraussetzungen und für welche Zwecke das Heer zu
verwenden ist, Bestandteil der militärischen Befehlshabung ist — dies
16 Dafs die nötige landesherrliche Publikation der Avancements und Er-
nennungen immerhin ein „landesherrlicher Akt“, „eine Regierungshand-
lung“ sei, wird Laband — Archiv für öffentl. Recht II 515 — niemand be-
streiten, dafs dies aber Ausflufs irgend eines in den militärischen Befehl oder
die Heeresverwaltung eingreifenden Rechtes sei, wird niemand behaupten.
IT Der preufsische Verfassungsentwurf — a. 63 — kannte nur ein „Recht
der Requisition“. Das „verwenden“ ist Amendement der verbündeten Re-
gierungen.
18 Die Militärkonventionen mit Baden a. 5, mit Oldenburg a. 5,
Waldeck a. 4, Braunschweig a. 6 sprechen vollkommen unterschiedslos
von der „freien Verfügung über die dislozierten Truppen zu polizei-
lichen Zwecken und zu solchen des inneren Dienstes“.