Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

506 U. Buch. Die Reichsgewalt. 
ist im Hauptbeispiele erst der jener Entscheidung folgende Mobilmachungs- 
befehl —, sondern vielmehr Ausflufs der Befugnis zur Leitung der 
äulseren und inneren Politik ist, so wenig ist die Anordnung des 
Landesherrn über Verwendung seiner eigenen Truppen Zeichen und 
Ausübung einer militärischen Befehlshabung. Vielmehr verbleibt der 
ınilitärische Befehl ausschliefsliich in der Hand des Commandeurs des 
Kontingentes; für die Handhabung desselben, für Ausführung der mili- 
tärischen Malsregeln ist er ausschliefslich seinem militärischen Vor- 
gesetzten und in letzter Instanz dem Kaiser verantwortlich. Er ist 
nur verpflichtet, wie in dem einen Fall auf Requisition, so in dem 
anderen Fall auf Anordnung des Landesherrn diesen seinen mili- 
tärischen Befehl in den Dienst der inneren Verwaltung zu stellen. 
Die Bestimmung der Verfassung enthält aber zugleich die Ab- 
grenzung der Militärgewalt gegenüber der Landes- 
hoheit. Eine Verwendung der Truppen für die Zwecke der inneren 
Landesverwaltung darf -—— allerdings mit der schwerwiegenden Aus- 
nahme der kaiserlichen Verkündigung des Krieeszustandes — immer 
nur stattfinden unter der Autorität des Landesherrn. Das Recht der 
Verwendung der Truppen, sei es auf Requisition, sei es auf Anordnung, 
ist in diesem Sinne und mit jener Ausnahme ein ausschlie/[slich 
landesherrliches Recht!?. Ohne die Anerkennung dieses Grundsatzes 
würde das ganze Gebiet der den Landesherren verfassungsmälsig vor- 
behaltenen Staatsgewalten der Grundabsicht der Verfassung zuwider 
den Eingriffen des militärischen Befehles preisgegeben sein. 
III. Allein durch dies alles, durch die verfassungsmälsige Stellung 
der Kontingente und die verfassungsmälsigen Rechte der Landesherren 
wird das Recht des Reiches und des Kaisers zur militärischen Befehls- 
habung in seinem inneren Gehalte und in seiner Zuständigkeit nicht 
berührt. Denn wie die Chefstellung der Landesherren nur eine Ehren- 
stellung neben der regelmälsigen Gliederung und neben der Hand- 
habung des militärischen Befehles bedeutet, wie die landesherrliche 
Verwendung der Truppen zu polizeilichen Zwecken nur die Schutz- 
pflicht des Reiches und die notwendige Abgrenzung des militärischen 
Befehls gegenüber der inneren Verwaltung zum Ausdruck bringt, so 
ist auch der Begriff des Kontingentes nur der zur Höhe eines Ver- 
fassungssatzes erhobene preufsische Verwaltungsgrundsatz, dals die 
19 Daher fallen auch die Gendarmeriecorps, selbst wenn sie militärisch 
organisiert und in Verbindung mit der Armee stehen, nicht unter die Vor- 
schriften der Reichsverfassung über das Militärwesen und nicht unter den 
Befehl des Kaisers. S. die Gendarmeriekonventionen mit Hessen vom 
25. März 1872 und mit Baden vom 24. Mai 1871, Militärgesetze I 82 u. 115.
	        
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