Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 85. Der militärische Befehl. 507 
Gliederungen des einheitlichen Heeres in eine nähere Beziehung auf 
eine bestimmte Gliederung des Territoriums gesetzt sind. Endlich ist 
das landesherrliche Recht der Personalbestellung des Offiziercorps 
nichts anderes als das Recht der Patronage?® zu Organen, welche 
ihrer Funktion nach die Zuständigkeiten des Reiches ausüben, näm- 
lich den kaiserlichen Befehl nach Instanzen gliedern, und welche darum 
selbst Organe des Reiches sind, in einem dem Reichsbeamtendienste 
analogen Reichsdienste stehen. 
Diese Auffassung ist in der Verfassung selbst zum vollen Aus- 
druck gekommen. 
1. Sie hat aus den Feststellungen des a. 63 in dem folgenden a. 64 
den Schlufs gezogen, dafs das, was den militärischen Befehl von jedem 
anderen öffentlichrechtlichen Befehl an Unterthanen oder Beamte unter- 
scheidet, der unbedingte Gehorsam gegen den Befehl, nicht dem 
Landes- oder Kontingentsherrn, sondern von allen deutschen Truppen 
dem Kaiser geleistet und eidlich gelobt wird. Damit ist dem Fahneneide 
an die Landesherren der Inhalt geraubt worden, den ihm die Be- 
ziehung auf eine specifische Verpflichtung gab. Er ist zurückgedrängt 
auf eine allgemeine Treueversicherung an den Landesherrn, welche 
die Unbedingtheit des militärischen Gehorsams nicht berührt. Er be- 
zeugt in feierlicher Weise, dafs das besondere militärische Gewalt- 
verhältnis des Schwörenden zum Kaiser das allgemeine Gewalt- 
verhältnis des Unterthanenverbandes im Verhältnis zum Landesherrn 
bestehen läfst?!. Er wird aber eben darum von den Unterthanen 
2° Mit vollem Rechte hat Brockhaus, Das deutsche Heer S. 218 ff., die 
Analogie des Patronatrechtes aus dem Kirchenrechte herangezogen. 
21 Auch wenn der Fahneneid an den Landesherrn die Worte enthält „als 
Soldat treu zu dienen“, so kann das nichts anderes bedeuten, als dafs der 
Schwörende auch als Soldat seinen allgemeinen Unterthanenpflichten zu ge- 
nügen verspricht. Jede Deutung, welche den unbedingten Gehorsam gegen 
den Kaiser zu einem bedingten macht, insbesondere bedingt durch irgend 
welches Befehlsrecht des Landesherrn oder bedingt durch irgend welche rechtliche 
Ableitung des kaiserlichen Befehles aus irgend einem landesherrlichen Rechte, 
ist verfassungswidrig. Hierauf aber allein kommt es an. Durch die Reichs- 
verfassung ist negativ das vorgeschrieben, was der Fahneneid nicht enthalten 
und als was er nicht gedeutet werden darf, nämlich niemals als ein Eingriff 
oder eine Beschränkung oder eine Mifsdeutung des unbedingten, auch durch 
keinerlei Mittelstellung des Landesherrn bedingten kaiserlichen Befehles. Was 
er positiv im übrigen enthält, das ist für die Gestaltung des militärischen 
Gewaltverhältnisses vollkommen gleichgültig. Die Fassungen des Fahnen- 
eides sind darum keinerlei Hülfsmittel, um die Bestimmungen der Verfassung 
zu erläutern — wie Laband, Archiv III 522 ff., meint —, sondern die Ver- 
fassung ist das ausschlieflsliche Hülfsmittel, um festzustellen, wie der Fahneneid 
formuliert und gedeutet werden mufs.
	        
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