Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

908 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
auch dann an den Landesherrn geleistet, wenn sie in einem fremden 
Kontingente dienen und damit aufser jede denkbare Beziehung auf 
ein militärisches Unterordnungsverhältnis zu ihrem Landesherrn 
getreten sind. 
2. R.V. a. 59 stellt fernerhin fest, dafs die Wehrpflicht von 
„jedem wehrfähigen Deutschen“ zu leisten ist. Sie ist verfassungs- 
mäfsig verknüpft nicht mit der Angehörigkeit zu einem einzelnen Glied- 
staate, als der einen Seite, sondern mit der Angehörigkeit zum deutschen 
Reiche, als der anderen Seite des Unterthanenverhältnisses.. Gerade 
daraus folgt es, dafs sie in jedem beliebigen Kontingente rechtsgültig 
erfüllt werden kann ’°?. 
3. Die Verfassung hat endlich das landesherrliche Recht der 
Offizierernennung durch die Begrenzung des a. 66 vor jeder Mils- 
deutung geschützt. Wenn der Kaiser den Höchstkommandierenden des 
Kontingentes, alle Offiziere, welche Truppen mehr als eines Kontin- 
gentes befehligen, alle Festungskommandanten aus den Offizieren aller 
Kontingente ernennt, von denselben den Fahneneid geleistet erhält 
und selbst seine Zustimmung bei der Ernennung zu Generalstellungen 
innerhalb des Kontingentes zu erteilen hat, so ist damit jeder Zweifel 
beseitigt, als ob irgend ein Offizier des deutschen Heeres, auch wenn 
er vom Landesherrn ernannt ist, unter einem anderen Befehle steht, 
als unter dem des Kaisers. Und demgemäls bestimmt $ 5 des Militär- 
gesetzes vom 2. Mai 1874: 
„Unbeschadet der Suveränetätsrechte der einzelnen Bundes- 
- 
22 Laband, Archiv für öffentl. Recht III 517, behauptet, die Wehrpflicht 
sei eine Pflicht der Staatsangehörigen gegen den Heimatsstaat und nicht eine 
Pflicht der Reichsangehörigen gegen das Reich. Er begründet dies mit dem 
Satze: „Der Dienst gegen den Landesherrn besteht in dem Gehorsam gegen 
den Kaiser“. Allein das ist zweideutig. Will damit nur gesagt werden, dafs 
die Unterthanen des Landesherrn, als Territorialherrn, nach der Organisation 
des Ersatzwesens ihre Pflicht, sich dem Heere und ebenso der Flotte einreihen 
zu lassen, durch Gestellung vor landesherrlichen Behörden und damit dem 
Landesherrn erfüllen, so ist dagegen nichts zu erinnern. Jedoch für die Streit- 
frage ist es allein entscheidend, ob das specifische militärische Gewaltver- 
hältnis, das durch die Einreihung in das Heer erst begründet wird, rechtlich 
zwischen dem Landesherrn und seinen Unterthanen oder ausschliefslich 
zwischen dem Kaiser und den dienst- und wehrpflichtigen Militärpersonen 
begründet wird. Nur das letztere ist mit Wortlaut und Absicht der Ver- 
fassung vereinbar in der dreifachen Bestimmung: a. 63 der Kaiser hat den 
Befehl im Heere schlechthin, a. 64 alle deutschen Truppen sind verpflichtet, 
dem Befehle des Kaisers unbedingte Folge zu leisten, a. 59 jeder wehrfähige 
Deutsche ist wehrpflichtig.
	        
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