Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

926 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
treten, sich zu melden und behufs Musterung und Aushebung persön- 
lich vorzustellen, ist gegenüber den Einzelstaaten zu erfüllen. Und 
zwar wird der Aushebungsbezirk und damit der zuständige Einzelstaat 
regelmälsig durch den dauernden Aufenthalt des Militärpflichtigen, nur 
aushülfsweise durch Wohnsitz und Geburtsort bestimmt. 
Allein trotz dieser Beziehung des „Ersatzgeschäftes“ auf die 
Einzelstaaten und deren Verwaltungsbezirke ist die Organisation der 
für dasselbe zuständigen Behörden nicht lediglich eine partikulare. 
Alle „Ersatzbehörden“ vielmehr sind gemischte in dem Sinne, dals 
ihre Funktionen entweder wahrgenommen werden durch das Zusammen- 
wirken von Militär- und Civilbehörden oder durch eine Behörde, 
welche ad hoc aus Militärpersonen und aus Beamten der Civilverwal- 
tung gebildet wird. Als Ministerialinstanz leitet alle Ersatzangelegen- 
heiten das Kriegsministerium in Gemeinschaft mit der obersten Civil- 
verwaltungsbehörde des Einzelstaates, die Ersatzbehörden der dritten, 
zweiten und ersten Instanz aber bestehen je aus einem Offizier — 
kommandierenden General, Brigadecommandeur, Bezirkscommandeur — 
und einem hierarisch entsprechenden Verwaltungsbeamten. Und zwar 
dergestalt, dafs, wo nicht für einzelne bestimmte Entscheidungen eine 
Verstärkung der ersten und zweiten Instanz, der Ersatz- und Ober- 
ersatzkommission vorgeschrieben ist, regelmäfsig die Übereinstimmung 
beider Mitglieder zu jeder Entscheidung erforderlich ist, ihre Meinungs- 
verschiedenheit also den Zug an die höhere Instanz bewirkt. 
Hierdurch, durch das Einschieben der im Reichsdienst stehenden 
Militärpersonen und Militärbehörden in die partikulare Behörden- 
organisation erfolgt denn aber ein Eingreifen des Reiches in die voll- 
ziehende Verwaltung der Einzelstaaten, was ein vollkommen anderes 
ist als „Beaufsichtigung“ im Sinne der R.V. a. 4. An Stelle dieser 
Beaufsichtigung vielmehr steht dem Reiche in einer eigentümlichen 
Wendung eine unmittelbare Beteiligung an der voll- 
ziehenden Verwaltung des Ersatzwesens zu. 
2. Anders gestaltet sich das Verhältnis für die Verwaltung 
der Kriegs- und Friedensleistungen, welche die Unterkunft 
und der Unterhalt, die Ausrüstung und die Bewegung der Kriegsmacht 
erforderlich machen. Hier ist es für die Kompetenz des Reiches ent- 
scheidend, dafs die Beschaffung der Naturalleistungen nirgends eine 
Verpflichtung ist, welche die Einzelstaaten als solche zu erfüllen haben. 
Vielmehr gilt überall der Grundsatz, dals das Rechtsverhältnis, welches 
die Beschaffung der Naturalleistungen einerseits und die gesetzlichen 
Vergütungen oder Entschädigungen andererseits zum Gegenstande hat, 
zwischen dem Reiche und den leistungspflichtigen Subjekten unmittel- 
bar obwaltet.
	        
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