Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 89. Das einheitliche deutsche Heer. 5239 
wird ein einheitliches Heer bilden“, ist nicht nur eine technische An- 
forderung, der auch in partikularistisch zersetzten Rechtsformen ge- 
nügt werden kann, sondern er ist ein Rechtsgrundsatz, welcher 
die einzelnen das deutsche Heerwesen regelnden Rechtssätze praktisch 
beherrscht und theoretisch erklärt. 
Er schliefst negativ die Auffassung der Einheit aus nur als 
eines zusammenhaltenden Bandes für einige zwanzig Heere, nur als 
einer Kollektivbezeichnung für landesherrliche Kontingente, nur als 
einer Entfaltung der Selbstverwaltung der Einzelstaaten unter der Be- 
aufsichtigung des Reiches. Denn unter einem Kontingentsheere, unter 
kontingentsweiser Selbstverwaltung kann ohne Verflüchtigung der Be- 
griffe lediglich eine militärische Organisation verstanden werden, 
nach welcher die einzelnen Heereskörper als selbständige, nach aulsen 
vor jeder unmittelbaren Einwirkung geschlossene, unter der Militär- 
hoheit der Einzelstaaten stehende Einheiten erscheinen, nur dals die- 
selben durch die rechtliche Normierung ihrer Organisation und Ver- 
waltung darauf angelegt und dazu verpflichtet sind, in ein grölseres 
Ganze und unter einen höheren Befehl zu treten. Diese Merkmale 
zeigt nur das Sonderrecht auf, unter welchem die bayerische Armee 
im Verhältnis zum deutschen Heere steht. 
Positiv bewährt sich der leitende Grundsatz an drei entscheiden- 
den Folgesätzen. 
Einheitlich ist das deutsche Heer, weil es durch ein einheit- 
liches Recht geordnet wird, dessen Erzeugung und Fortbildung aus- 
schliefslich von Reichs wegen erfolgt. 
Einheitlich ist dasselbe, weil alles Befehlsrecht — das Recht 
sowohl des Kommandos als des militärischen Verwaltungsbefehless — 
über das deutsche Heer und in ihm sich in der einen Hand des 
Kaisers dergestalt vereinigt, dafs alle hierarchisch geordneten Befehls- 
rechte von ihm abgeleitet und ihm untergeordnet sind. 
Einheitlich ist dasselbe, weil das militärische Gewaltverhält- 
nis, welches die rechtliche Grundlage für die Organisation und die 
Funktion des Heeres ausmacht, zwischen dem Reiche und den An- 
gehörigen des Heeres unmittelbar begründet ist. 
Nur innerhalb der hierdurch gezogenen Schranken haben die den 
Landesherren verfassungsmälsig zugeschriebenen Rechte ihren Platz. 
Das „Kontingent“ ist kein selbständiger Heereskörper, sondern 
nur eine Gliederung des deutschen Heeres, welche nach dem Grund- 
satze erfolgt, dals die militärischen Formationen durch die Art der 
Ergänzung ihres Personals in eine rechtlich notwendige Beziehung ge- 
setzt sind zu der territorialen Gliederung des Reiches nach Einzel- 
Binding, Handbuch. V. 1: Hänel, Staatsrecht. I. 34
	        
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